Der Streit um den Aufbau-Verlag wir immer verrückter. Der Verlag meldete Insolvenz, die Mitarbeiter wehren sich gegen ihren Chef Bernd F. Lunkewitz. Nun fordert Lunkewitz 183 Millionen Euro von der Treuhand-Nachfolgerin und gründet den neuen “Alten Verlag“. In 14 Tagen soll “dieser Witz“ beendet sein.
Mit kleinen Geschäften hat sich Bernd F. Lunkewitz noch nie gern abgegeben. Der Immobilienhändler und Chef des Aufbau-Verlags fordert jetzt nach Informationen des "Focus" von der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) 183 Millionen Euro zurück. Die BvS ist die Rechtsnachfolgerin der Treuhand, und die Treuhand hatte Lunkewitz 1991 den Aufbau-Verlag verkauft, obwohl der nie Eigentum der Treuhand war und also nie von ihr verkauft werden konnte.
Der wahre Eigentümer des Verlags war der DDR-Kulturbund, von dem ihn Lunkewitz 1995 zum zweiten Mal erwarb. Seither, also 14 Jahre lang, klagte er gegen die BvS, aber die weigerte sich, das erste Geschäft rückgängig zumachen. Im März diesen Jahres entschied der Bundesgerichtshof dann nach "unstreitigen Tatsachen" zugunsten von Lunkewitz. Doch die BvS und das ihr vorgesetzte Bundesfinanzministerium erkannten dessen Forderungen in Höhe von zunächst rund 50 Millionen weiterhin nicht an.
Streit endet in Insolvenz
In einem Gespräch mit dem "Spiegel" sagt Lunkewitz, die Geschäftsleitung des Aufbau-Verlages habe ihn gebeten, "dem Bundesfinanzminister noch bis zum 30. Mai eine Chance einzuräumen, den von seiner Behörde angerichteten Schaden zu regulieren. In diesem Fall wäre es nie zu der Insolvenz gekommen. Ende Mai kamen ablehnende Briefe des Ministeriums, das uns auf den Rechtsweg verwiesen hat. Mit anderen Worten: Verklagen Sie uns doch!"
"Das eben ist der Fluch der bösen Tat", heißt es bei Schiller, "dass sie fortzeugend immer Böses muss gebären". Konnte man den Verkauf des Aufbau-Verlags noch als Irrtum der Treuhand in den frühen Vereinigungswirren betrachten, lässt sich ihr über ein Jahrzehnt anhaltender juristischer Widerstand gegen die offenkundig "unstreitigen" Ansprüche von Lunkewitz nur noch mit Kopfschütteln kommentieren.
Dass die BvS und Finanzminister Peer Steinbrück trotz Urteils des höchsten deutschen Gerichts sich nicht zu einer Einigung mit dem Verleger herablassen wollten, hat Lunkewitz endgültig in Rage und den Aufbau-Verlag nun in eine existenzgefährdende Situation gebracht. Denn nachdem Lunkewitz dem defizitären Haus keine Unterstützung aus seinem Vermögen mehr zusagen wollte, musste die Geschäftsführung des Verlags am 30. Mai Insolvenz anmelden und einen Insolvenzverwalter einsetzen lassen.
Der Lunkewitz macht das Licht aus
Natürlich hätte Lunkewitz, der seit dem unrechtmäßigen Verkauf durch die Treuhand 1991 etliche Millionen in den Aufbau-Verlag investierte, versuchen können, ihn mit dem 1995 rechtmäßig erworbenen Aufbau-Verlag zusammenzuführen und die Geschäfte weiterlaufen zu lassen.
Doch gegen ein solches Vorgehen sprachen, wie er im "Spiegel"-Gespräch sagt, "sehr viele rechtliche Bedenken". Vor allem aber hätte er, wenn er alles in eine einzige vereinte Gesellschaft einbrächte, "sämtliche Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland fallen lassen müssen" Wie es für die Angestellten des Berliner Aufbau-Verlags weitergeht, ist zunächst offen. "Die insolvente GmbH gehört dem Bundesfinanzminister, rückwirkend seit 1991", sagt Lunkewitz. "Fragen Sie doch Peer Steinbrück, wie er mit den Mitarbeitern umzugehen gedenkt."
Inzwischen hat Lunkewitz in Frankfurt am Main eine neue "Alte Verlags GmbH" gegründet, die unter anderem die Geschäfte des 1995 rechtmäßig erworbenen Aufbau-Verlags fortführen soll. Er hält offenbar an seinen bisherigen Plänen fest, ihn zu verkaufen. Interessenten, sagt er laut "Focus", gebe es schon. Allerdings müsse der inzwischen bestellte Insolvenzverwalter bereit sein, "die ungerechtfertigten Ansprüche" auf sein Eigentum aufzugeben. "Wenn nicht, wird das Licht ausgemacht und dann ist Schluss".
Ein Ende nach 14 Jahren und 14 Tagen
"Aus meiner Sicht wird der Geschäftsbetrieb von einem größeren Verlag übernommen, denn er ist mit einem Umsatz von weniger als 15 Millionen Euro zu klein, um auf Dauer wirtschaftlich zu arbeiten", resümiert Lunkewitz, um noch im gleichen Atemzug für die besonderen Qualitäten des Hauses zu werben, in dem er 17 Jahre als Verleger tätig war: "Die Mitarbeiter der Aufbau-Verlagsgruppe GmbH gehören zu den Besten der Branche. Jeder Käufer des Verlags wäre verrückt, sie nicht zu übernehmen."
Wie sich seine Forderung von 183 Millionen gegen die BvS bzw. die Bundesregierung im Detail zusammensetzen, ist unklar. Nach dem Urteil des BGH hatte Lunkewitz erkennen lassen, dass in seinen Augen alle Geschäfte des Aufbau-Verlags seit 1991 ohne Rechtsgrundlage waren - und er deshalb entsprechend hohe Schadenersatzforderungen stelle.
An seiner Entschlossenheit lässt Lunkewitz keinen Zweifel und ist sich offenbar sicher, die unübersichtliche Affäre in absehbarer Zeit beenden zu können: "Die Bundesregierung hat versucht, dem Kulturbund den Aufbau-Verlag wegzunehmen. Das ist ihr nicht gelungen. Jetzt versucht die Geschäftsführung zusammen mit dem Insolvenzverwalter, mir den Aufbau-Verlag wegzunehmen. Das wird auch nicht gelingen. Die Tragödie hat 14 Jahre gedauert, diese Farce jetzt wird in wenig mehr als 14 Tagen vorbei sein."