Schumachers Woche

Wie Donald Trump mir die Augen öffnete

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Hajo Schumacher
Donald Trump blickt hinter einer US-Flagge hervor

Donald Trump blickt hinter einer US-Flagge hervor

Foto: Rundfunk Berlin-Brandenburg

Donald Trump hat Hajo Schumacher eine Erkenntnis beschert: Er weiß eigentlich nichts von den Menschen, die Trump gewählt haben.

Ausgerechnet Donald Trump hat mir eine Erkenntnis beschert, die ist nicht schön, aber leider wahr: Ich habe als Journalist meine Aufgaben nicht erfüllt.

60 Millionen Menschen haben Trump gewählt. Das können nicht alles Idioten gewesen sein. So habe ich aber oft argumentiert: white male trash, versoffene Neonazis, Frustrierte, Modernisierungsverlierer - die ganze Trivialsoziologie, die man so drauf hat.

In Wirklichkeit weiß ich nichts von diesen Menschen, ihren Hoffnungen, ihren Träumen, ihren Enttäuschungen, ihrer Wut.

Die Sonderseite zur US-Wahl

Anstatt hinzugucken, zu fragen, was wissen zu wollen, habe ich genau das gemacht, was ich diesen Menschen vorgeworfen habe: Stereotype, Vorurteile, fertige Meinungen, Hirn ausschalten.

Ich komme nicht umhin, mich zu einer gewissen bildungsbürgerlichen Arroganz zu bekennen, die mit Ignoranz einhergeht, eine ebenso bequeme wie widerwärtige Heute-Show-Attitüde, von ganz oben runter.

Das muss nicht so sein. Der junge Günther Wallraff hat uns mit seinen Industriereportagen gezeigt, dass sowas wie sozialer Journalismus geht. Leider 40 Jahre her. George Packer hat in seinem Reportagebuch „Die Abwicklung“ aufgeschrieben, wie der American Dream geschreddert wurde.

Da stellt sich mir die Frage: Was wissen wir denn aus den Industriebrachen unseres Landes?

Was wissen wir aus der Hartz-IV-Welt?

Was wissen wir von den Menschen dort, deren Eltern oder Großeltern aus bitterer Armut vom Land in die Fabriken gekommen sind, um ein besseres Leben zu finden?

Was wissen wir aus der Hartz-IV-Welt, außer dem RTL-Mist?

Was wissen wir aus dem sozialen Mindestlohn-Ghetto, wo Millionen Menschen keinen Bock mehr haben, an irgendein Versprechen zu glauben?

Ich habe zu wenig hingeguckt. Und damit ein wenig beigetragen zu dieser wütenden Sprachlosigkeit, diesem gewaltigen sozialen und kulturellen Graben, der sich nicht nur durch die USA zieht. Das ist mir peinlich. Und ausgerechnet ein Trump muss mir das klar machen.