Noch ist es eigentlich zu früh, aber Berlins Regierender Bürgermeister hängt schon in einer Ahnengalerie, schreibt Gilbert Schomaker.

In der Politik ist das ja so eine Sache mit Ahnengalerien. Meist sind Politiker im Hauptberuf gar nicht mehr Politiker, wenn sie in Öl an die Wand gehängt werden. So gehört es zur Tradition, dass die Bilder von Bundeskanzlern erst nach ihrem Ausscheiden aus dem Kanzleramt – meist von einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin – aufgehängt werden. So geschehen zum Beispiel bei Gerhard Schröder, dessen Porträt mit Affen vom Maler Jörg Immendorf erstellt wurde, und das von Angela Merkel im Beisein des Alt-Kanzlers präsentiert wurde.

In Berlin gibt es solche Ahnengalerien auch. Gemälde der Ehrenbürger im Abgeordnetenhaus. In den Senatsverwaltungen hängen auch viele Fotos ehemaliger Amtsinhaber, wie zum Beispiel in der Innenverwaltung (dort in schwarz-weiß). Nun ist Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) noch im Amt. Trotz einer in dieser Woche aufgekommenen Diskussion um einen möglichen Sturz nach einem schlechten Ergebnis bei der anstehenden Abgeordnetenhauswahl – wäre es eigentlich zu früh über Müller in einer Ahnengalerie zu schreiben. Auch hier in dieser Kolumne. Aber er hängt schon.

Still und heimlich wurde ein Foto des amtierenden Regierenden in einer privaten, aber eben auch öffentlichen Ahnengalerie aufgehängt. In der Ständigen Vertretung in Mitte lächelt seit einer Woche auch Michael Müller von der Wand. Die Ständige Vertretung, liebevoll von allen nur Stäv genant, ist ja so etwas, wie der Stammtisch der Politiker. Oder wie die Macher, Friedel Drautzburg und Harald Grunert, selbst sagen: Nicht irgendeine Kölschkneipe, sondern ein politisches Lesebuch. Nun ja, Lesebuch vielleicht nicht, aber ein Bilderbuch der bundesrepublikanischen Politik sicherlich schon. Die Großen der Politik waren schon damals in Bonn, später auch in Berlin alle irgendwann mal in der Stäv.

Müller wird in der Gaststätte mit einem Foto geehrt

Davon zeugen Hunderte Fotos an den Wänden der Gaststätte. Und in diesem Bilderbuch findet sich nun auch Michael Müller wieder. Geboren wurde die Idee von einem kleinen Stammtisch und bei der Ehrung eines SPD-Mitglieds für 50-jährige Treue durch Müller. Da entstand die Idee, Müller mit einem Foto zu ehren. Es zeigt die beiden Gaststättengründer mit Müller. Man findet es rechter Hand zwei Positionen unter Konrad Adenauer. Nicht bestätigten Informationen zufolge musste ein Bild der ehemaligen Oberbürgermeisterin von Bonn, Bärbel Dieckmann, dafür weichen. Aber um nicht neues Öl ins Feuer des Regierungsumzugs zu gießen, lassen wir das Thema an dieser Stelle.

Vielleicht bietet sich da eher ein Vergleich mit Müllers Vorgänger an. Klaus Wowereit hängt zwar auch in der Stäv. Aber um im Bild zu bleiben: eher auf den hinteren Seiten des Bilderbuchs. Aber an dem Abend, an dem Müllers Foto seinen Platz erhielt, gab es auch wowereitsche Züge. Denn eine Schweizer Touristengruppe erkannte den Regierenden Bürgermeister und wollte unbedingt Selfies mit ihm machen. Dieses Phänomen gab es – in sehr ausgeprägter Form – auch bei Klaus Wowereit. Müller, zuletzt mit Umfragewerten nicht verwöhnt, genoss laut Teilnehmern der Veranstaltung die Fotosession.

Im Roten Rathaus hängen nur Bilder von den Ehrenbürgern

Eine Ahnengalerie der Regierenden Bürgermeister sucht man im Roten Rathaus übrigens vergebens. Dort hängen wie im Abgeordnetenhaus Berlins nur die Ehrenbürger. Aber die Hausherren der vergangenen Jahrzehnte findet man weder in schwarz-weiß noch in Öl. Eine solche Ahnenreihe gibt es bisher nur im Rathaus Charlottenburg (in schwarz-weiß Fotos). Um im Roten Rathaus zu hängen, muss also ein Regierender Bürgermeister erst Ehrenbürger werden, damit er eine Chance hat, auf die politische Nachwelt herabzulächeln.

Zumindest im Internet – darauf verwies die Senatskanzlei – gibt es eine Auflistung aller Regierender Bürgermeister, samt Lichtbild. Im realen Politikerleben zählt das Foto in der Stäv dann mindestens genauso viel. Darauf ein Kölsch.