Gartenlust

Ein Gemüsegarten für Stadtmenschen

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Gabriella Pape

Eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung für die ganze Familie." Das schrieb 1926, lange nach dem Arzt Max Schreber, das Office International du Coin de Terre et des Jardins Familiaux, eine damals über drei Millionen Mitglieder zählende Kleingartenorganisation, über den Kleingarten.

Dies war nur einer der acht Leitsätze der Gesellschaft, die auch damals bereits Schlagworte bekannt machte wie Lebensqualität, Lebensraumvernetzung, preiswertes Züchten von Gemüse, Förderung von harmonischen menschlichen Beziehungen und Anschauungsunterricht in Biologie. Vor allem sehr authentisch in der Zeit: im Dienste der Kommunikation für Immigranten - was stimmt, denn die meisten meiner internationalen Freunde wissen mehr über Gemüseanbau, als ich je wissen werde. Am Ende der Liste werden dann noch die armen Rentner aufgeführt, die heutzutage lieber im Himalaja herumklettern, als sich in Rudow ihrem Kohl zu widmen.

Was das alles heute mit meiner Kolumne zu tun hat, fragen Sie sich nicht ohne Grund, denn ich bin eigentlich gar kein so großer Fan von den mittlerweile sehr artfremden in Gruppen sortierten Gartenanlagen, die in den vergangenen Jahren aus all den oben genannten Tugenden vielerorts ein Netzhemd- und Dosenbierviertel mit viel Rasen und ohne sinnvolle Lebensqualität gemacht haben. (Bitte keine bösen Zuschriften, es gibt durchaus auch schöne Kleingartenanlagen). Doch nicht nur Schrebergärten haben neue, enthusiastische Fans gefunden, es gibt, und das hält mich eigentlich im Glauben an das Gute in der Welt, doch immer wieder junge Menschen, die sich etwas Neues, etwas Zeitgemäßes ausdenken, das jetzt und hier gebraucht wird. Denn auch Mieter ohne Garten, so wie ich, wünschen sich oft die Möglichkeit, Lebensmittel ohne chemikalische Beilagen essen zu können. Zwei junge Studentinnen, Natalie Kirchbaumer und Wanda Ganders, hatten eine geniale Idee. Das Konzept heißt: "Meine Ernte" und ist ausschließlich für Menschen, die sich nicht nur dafür interessieren, wie ihre Familie ernährt wird, sondern auch Spaß am Säen, Pflegen und Ernten haben. Aber anders als im Schrebergarten, sind Sie hier nicht auf sich selbst oder die 500 unterschiedlichen Meinungen von anderen Kleingärtnern angewiesen. Bei diesem Konzept werden Sie von professionellen Landwirten begleitet, welche sich schon lange mit dem Anbau von Obst und Gemüse befasst haben. Der Landwirt pflügt und fräst das Land für Sie und sät sogar die ersten 20 verschiedenen Gemüsesorten an, wie Blumenkohl, Mangold, Bohnen Erbsen, Fenchel, Kürbis, Kartoffeln, Möhren, Gurken, Porree, Salat etc., sodass Sie sich dann nur noch um Pflege und Ernte kümmern müssen. Ernten - als ich diese Idee vor einem Jahr im Easyjet-Magazin gelesen habe, dachte ich, das muss hier in die Stadt, das ist genau das, was wirklich fehlt, denn nicht jeder Etagenbewohner möchte jedes Wochenende mit seinem Nachbarn über den zu lang oder zu kurz geschnittenen Rasen streiten, sondern nur ab und an auf ein Feld fahren und sich dort seinem Gemüse widmen und sich nett mit anderen Gleichgesinnten austauschen. Kaum hatte ich diesen Gedanken gedacht, kontaktierten mich diese genialen jungen Frauen und erzählten mir von der Idee, Berlin und Umgebung zu erobern. Hier sind sie nun und beginnen zuerst einmal ab Februar mit den Außenbezirken. Aber glauben Sie mir, es wird sich nur um Monate handeln, bis sie auch im Stadtkern Landwirte finden, die sich ihrer Sache annehmen. Für alle Details, wie Kosten für eine Saison und wo das alles stattfindet, kontaktieren Sie bitte www.meine-ernte.de

Gabriella Pape ist Leiterin der Königlichen Gartenakademie in Berlin und schreibt regelmäßig am Sonnabend an dieser Stelle.