Kolumnist Dieter Puhl verbringt neuerdings Zeit im Kino und mit alten Filmen. Erstaunlich, wer da alles zum Zuschauen kommt.

„Ich dachte, sie wären bereits seit 20 Jahren tot!“ Das war nicht sonderlich charmant von mir, aber immerhin war ich ehrlich. Er war aber gar nicht eingeschnappt. Ich hatte lange nichts mehr von ihm gehört, kannte ihn auch gar nicht persönlich, sondern nur aus den Medien, aus Zeitschriften, der Abendschau. Früher war er Kult in Berlin, jeder Kino-Freak kannte ihn wohl. „Na, dann schreiben Sie ruhig, dass ich von den Toten wieder auferstanden bin,“ entgegnete er und lachte schelmisch. Ort: Die Eva-Lichtspiele in Wilmersdorf vor ein paar Tagen. Eine Begegnung mit dem Filmregisseur Lothar Lambert und anderen interessanten Menschen und skurrilen Typen.

Das hatte viel mit einem Zufall zu tun. Bei bestem Wetter unternahmen meine Freundin und ich sonntags eine gemeinsame Tour mit meiner Vespa. Rast legten wir im Eiscafé Monheim in ein, ich war da seit Jahren nicht mehr. Erster Tipp für heute: Auch ein guter Laden.

Das soll heute aber kein Führer für Cafés oder Eissorten werden. Zufällig schlenderten wir am „Eva „vorbei, ich bin dort wohl schon 1976 Gast gewesen, ein tolles, großes Traditionskino.

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Mit 81 täglich ins Kino

„EVA-Lichtspiele“ – wirbt das Kino einladend. Wir schauten uns die Schaukästen an, einige Filme kannten wir, andere zogen wir in Erwägung. Magisch zog mich die Werbung „Der alte deutsche Film“ an, immer mittwochs um 15.45 Uhr. Titel wie „Alarm auf Station III, (D 1939)“ mit Gustav Fröhlich und Kirsten Heiberg oder „Zwei Welten (D 1939/40), Regie: Gustaf Gründgens, Musik: Michael Jary“. Nicht ganz meine Zeit war das, ich bin doch Baujahr 1957. Einige Namen, wie Erik Ode, 1910 geboren, sagen Ihnen aber sich auch noch etwas.

„Wer schaut sich das an? Hundertjährige? Nazis? Oder Verrückte?“ Ich bin ein neugieriger Mensch. Der Mittwoch kam, ich befürchtete kurz, allein im Kino zu sitzen. Meine Verwunderung stieg, als ich viele Menschen sah, etliche vertieft in die Aushänge der Schaukästen. Sie waren älter, einige weit über 80. Ein Kompliment: Es waren echte Typen dabei! „Ich haben keinen Fernseher, gehe aber zweimal wöchentlich ins Kino“, der Mann war 83. Ein 81-Jähriger erzählte, er gehe täglich in Lichtspielhäuser. Da kann man sich auch „olle Kamellen“ anschauen.

Ein Paar aus Chicago besitzt ein eigenes Kino

Jüngere Menschen waren aber auch dabei. Seit 24 Jahren kommt Frau regelmäßig sie ist heute 48 und damit fast der „Backfisch“ in der Runde. „Die ersten Jahre kam ich mit meiner Tante, die leider inzwischen gestorben ist“. Dass Gäste des Kinos vor zwei Jahren für einen neuen Vorhang sammelten – eine Episode am Rande. Die längste Anreise hatte ein Pärchen aus Chicago, beide 35 Jahre alt. Sie haben dort selbst ein Kino für 35-Millimeter-Filme. Längst wunderte mich gar nichts mehr. 48 zahlende Gäste waren es an diesem Tag. An noch besseren sollen es sogar 100 werden, erfuhr ich.

An den kleinen Bistrotischen gab es frisch gebackenen Kuchen. Ich war gerührt, wo gibt es denn sowas? Es wurde ein überaus interessanter Nachmittag. Besondere Kunstform, anderes Erleben, das war entschleunigt, tat mir gut, ich mochte Musik und Gesang, fremden Schnitt und Dramaturgie, fast in Vergessenheit geratene Stars. Ein Einführung vor dem Film gibt auch fast immer!

1939 war mein Vater übrigens 18 Jahre alt. Das Kino war damals für ihn in Posen auf dem Land weit weg, kurze Zeit später war er schon Soldat. Es war bereits viel von Kameradschaft in dem Film die Rede, von Männern, die ihre Pflicht erfüllen mussten. Verstehe ich die Zeit und meine Eltern besser, komme ich auch mir genauer auf die Spur. Das ist auch noch in meinem Alter interessant. Ich komme wieder.

Und vielleicht schließe ich mich künftig nach dem Kinobesuch ja der Gruppe an, die anschließend noch zum Serben oder Italiener geht. Ich glaube, Frank ist auch dabei. Er hat ein Kinomuseum in der Schönleinstraße. Dort werde ich ihn auch besuchen.