In Kriegszeiten den richtigen Ton zu treffen, das fällt vielen Menschen nicht leicht. Vor allem denjenigen, die in den vergangenen Jahren auf Russland und dessen Präsidenten Wladimir Putin gesetzt haben. Der Schock, dass Putin kein „lupenreiner Demokrat“ ist – im Übrigen, wie Friedrich Merz (CDU) vor einer Woche im Bundestag richtigerweise feststellte, auch nie einer war –, sondern ein Kriegsverbrecher, dieser Schock trifft vor allem die Linken und auch viele Sozialdemokraten schwer.
Der ehemalige brandenburgische Ministerpräsident und Kurzzeit-SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck schaffte es, am Dienstag als Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums zurückzutreten und sich klar von Putin zu distanzieren. Und öffentlich einzugestehen, dass er sich geirrt habe. „Ich hätte es klarer sehen müssen“, sagte Platzeck.
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Ein später Versuch, wieder auf die Seite der Guten zu kommen
Bei der Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), dauerte es auch bis zu Putins Krieg gegen die Ukraine, dass sie klarer sieht. Und nun versucht rauszukommen aus dem prorussischen Geflecht, das sie rund um Nord Stream 2 mitgeflochten hat. Mit Stiftung und Russland-Tagen, mit Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) als Redner, mit dem Ex-Ministerpräsdenten Erwin Sellering (SPD) als Vorsitzenden der Stiftung.
In einem langen Twitter-Post meldete sich Schwesig am Montag zu Wort, meinte, dass sie nie eine „Putin-Versteherin“ gewesen sei, erklärte, dass die Stiftung aufgelöst werden solle und das Geld – rund 20 Millionen Euro – für humanitäre Hilfe für die Ukraine zur Verfügung gestellt werde. Ein später Versuch, wieder auf die Seite der Guten zu kommen. Aber immerhin.
Gerhard Schröder entscheidet sich für das Schweigen
Für das Schweigen hat sich dagegen Gerhard Schröder entschieden. Der Altkanzler will seine Ämter bei Gazprom oder Rosneft nicht niederlegen, er will sich nicht von Putin distanzieren. Der Druck auf Schröder ist immens, die SPD-Spitze stellte ihm ein Ultimatum, seine Heimatstadt Hannover leitete am vergangenen Donnerstag ein Verfahren ein, um ihm die Ehrenbürgerwürde zu entziehen.
Was macht Schröder? Er schweigt und lässt seine Ehefrau Soyeon Schröder-Kim via Instagram einen Brief an die „lieben Genossinnen und Genossen“ veröffentlichen, in dem sie der SPD vorwirft, eine Kampagne des Springer-Konzerns gegen ihren Mann zu unterstützen, und ihn sogar als Vermittler ins Spiel bringt, wie es der ukrainische Botschafter gewollt habe. „Ihr könnt sicher sein, was auch immer mein Mann tun kann, um zur Beendigung des Krieges beizutragen, wird er tun und zwar unabhängig von Ultimaten der SPD oder anderen Organisationen wie etwa dem DFB“, schreibt sie – und postet kurz darauf ein Foto der Titelseite der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“, wo neben Schröders Foto steht: „Ohne jede Würde?“ Die Ehefrau will deshalb nun den Presserat anrufen.
Schröders Schweigen – es wird mit jedem Tag, jeder Stunde, in der in der Ukraine Menschen sterben, Häuser zerbombt und Atomkraftwerke angegriffen werden, würdeloser.
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Auch bei den Linken ist Streit ausgebrochen
Auch die Linken, ob im Bund oder in Berlin, hätten wohl nie mit Putins Krieg gerechnet. Auch in dieser Partei ist Streit ausgebrochen, wie man sich dazu verhalten muss, was die richtigen Worte sind – Streit zwischen Sahra Wagenknecht und Gregor Gysi, auch zwischen der Jugendorganisation und der Parteiführung. Die Berliner Linke positionierte sich am Freitag klar – und verurteilte „Putins völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine aufs Schärfste“. Es dürfe „keine Verharmlosung oder Relativierung von Putin“ geben, so die Berliner Sozialsenatorin Katja Kipping.
Die Lernkurve der Linken, sie ist steiler als die einiger Sozialdemokraten.
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