Berlin. Da fällt der Dialog schwer: Die Klimaaktivisten der Gruppe „Die letzte Generation“ wollen ihre Straßenblockaden in Berlin so lange fortsetzen, bis die Bundesregierung ein Gesetz zum nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln erlassen hat. Mit dem Gesetz sollen die Supermärkte in Deutschland verpflichtet werden, abgelaufene Lebensmittel zu spenden. Das machen zwar sehr viele Händler und Supermärkte schon heute, etliche arbeiten bekanntlich auch eng mit den örtlichen Tafeln zusammen, aber noch nicht alle. Sie sollen nun dazu gezwungen werden.
Aber zuvor ist die Bundesregierung dran, denn nur wenn diese dem Anliegen der Klimaaktivisten nachgibt, soll es nicht mehr zu Straßenblockaden kommen. Das nennt man gemeinhin Erpressung, das hat mit einem politischen Diskurs in einem demokratischen Rechtsstaat nichts zu tun – und folglich ist, richtigerweise, nicht zu erwarten, dass die Bundesregierung dem Anliegen nachgibt.
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Umweltministerin Steffi Lemke fing sich Kritik ein
Interessanterweise gibt es politisch handelnde Personen, die die gefährlichen Aktionen der Straßenblockierer als zivilen Ungehorsam wahrnehmen. Und die dabei sogar auf die friedliche Revolution und die Bürgerrechtler in der DDR verweisen. Diese Ansicht vertrat vor wenigen Tagen etwa die neue Umweltministerin der Bundesregierung, Steffi Lemke (Grüne). „Es ist absolut legitim, für seine Anliegen zu demonstrieren und dabei auch Formen des zivilen Ungehorsams zu nutzen“, sagte die gebürtige Ostdeutsche – und fing sich damit heftige Kritik ein. Zum Glück.
Und auch von den Vertretern der Ampel-Regierung, so von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). „Ziviler Ungehorsam ist im deutschen Recht weder Rechtfertigungs- noch Entschuldigungsgrund. Unangemeldete Demos auf Autobahnen sind und bleiben rechtswidrig“, twitterte Buschmann. Ich dachte bislang, dass man das in einem Bundeskabinett nicht erklären muss. Offensichtlich schon.
In der rot-grün-roten Koalition gehen die Meinungen auseinander
Auch in der rot-grün-roten Koalition in Berlin gehen die Meinungen über die gefährlichen Straßenblockaden weit auseinander. Und nein, man muss nicht raten, wer diese Aktionen verurteilt und wer dafür große Sympathie hegt. Die Grünen und die Linken – nicht alle, aber etliche Vertreter, darunter auch Abgeordnete – haben für die Aktionen viel Verständnis. Die SPD, allen voran die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und die neue Innensenatorin Iris Spranger, dagegen nicht. Spranger kündigte am Donnerstag dann auch eine härtere Gangart der Polizei gegenüber den Straßenblockierern an. Man sah ihr bei ihrem Auftritt im Abgeordnetenhaus ihr völliges Unverständnis über diese Aktionen an. Zumal zuvor bekannt geworden war, dass eine Schwangere von der Polizei in die Klinik gefahren werden musste, weil die Frau wegen blockierter Autobahnauf- und -ausfahrten im Stau stand und nicht zum Krankenhaus kam.
Selbsternannte Klimaschützer waren in dieser Woche noch auf andere Weise in Berlin aktiv: Sie ließen bei zahlreichen Autos in Prenzlauer Berg die Luft aus den Reifen. An den Windschutzscheiben klemmten Flyer, auf denen die Fahrer der SUVs, die erwartungsgemäß als „Bonzenkarren“ bezeichnet wurden, aufgefordert wurden, ihr Auto zu verkaufen und eine Fahrkarte für den öffentlichen Personennahverkehr zu erwerben („Fuck SUV“). Für die Aktivsten ist das wahrscheinlich auch wieder „ziviler Ungehorsam“, dabei ist es nichts anderes als der Angriff auf das Eigentum eines anderen. Und die Unfähigkeit, einen offenen Dialog zu führen oder politsche Lösungen zu finden.
Meine Sorge, wie wir in Zukunft politische Auseinandersetzungen führen, sie wird mit jedem Tag größer.
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