Meine Woche

Die Pandemie bringt es an den Tag

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Christine Richter, Chefredakteurin der Berliner Morgenpost.

Christine Richter, Chefredakteurin der Berliner Morgenpost.

Foto: dpa/Reto Klar

Im Juni 2021 erhalten die Lehrer in Berlin erstmals Dienst-Tablets. Das ist gut, aber auch traurig, meint Christine Richter.

Berlin. Es war am Freitag die gute Nachricht des Tages: Mehr als 10.000 Berliner Lehrerinnen und Lehrer sollen in den knapp zwei Wochen bis zu den Sommerferien noch ein Tablet bekommen. Vorgesehen ist, insgesamt 37.000 Geräte auszugeben, so Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD). Sie überreichte am Freitag die ersten Dienst-Tablets an Lehrkräfte der Lina-Morgenstern-Gemeinschaftsschule in Kreuzberg. Die Geräte seien LTE-fähig und haben eine Videofunktion, hieß es geradezu feierlich.

Eine gute Nachricht, aber eigentlich auch eine traurige, denn wir schreiben das Jahr 2021. Noch genauer: Juni 2021. Im Juni 2021, also 16 Monate nach Beginn der Pandemie, werden die Berliner Lehrerinnen und Lehrer mit Dienst-Tablets ausgestattet. Noch schlimmer: Während seit Jahren Menschen in anderen Unternehmen, Kinder und Jugendliche schon selbstverständlich ein Tablet haben, dauert es bis zum Jahr 2021, bis auch Berliner Lehrer für ihre Arbeit ein solches Gerät bekommen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), so hieß es am Freitag, habe schon seit Langem beklagt, dass die Lehrer in Berlin für ihre Arbeit ihre privaten Notebooks benutzen würden.

Rund 23.000 der erforderlichen 37.000 Geräte für die Berliner Schulen werden übrigens aus dem Förderprogramm des Bundes „Digitalpakt Schule“ finanziert. Die restliche Summe stellt das Land Berlin bereit. „Angesichts der Erfahrungen aus der Pandemie mit Wechselunterricht und schulisch angeleitetem Lernen zu Hause ist es nur folgerichtig, dass der Arbeitgeber den Lehrkräften nun auch ein digitales Dienstgerät zur Verfügung stellt“, sagte die Bildungssenatorin. Und ja, sie meinte das ernst. Auch, dass alle Lehrkräfte nun eine eigene datensichere Dienst-E-Mail-Adresse bekommen sollten. Ich frage mich, wie die Lehrer in den vergangenen 15 Monaten gearbeitet haben. Ganz zu schweigen von den vergangenen Jahren.

Die Pandemie, das ist dann doch das Gute an den schlimmen Corona-Monaten, führt uns allen den jämmerlichen Zustand der Verwaltung oder der Schulen bei der Digitalisierung vor Augen. Sicherlich, es gab wahrscheinlich in allen Bereichen Nachholbedarf, es mussten mit Beginn der Pandemie überall sichere Datenleitungen geschaffen, mehr Mitarbeiter mit digitalen Geräten ausgestattet werden, aber die meisten Unternehmen waren weit entfernt von dem Rückstand, wie er in der Verwaltung offensichtlich wurde. Die Mitarbeiter in vielen Berliner Behörden wurden zwar ins Homeoffice geschickt, konnten dort aber nicht arbeiten, weil es entweder keine digitalen Endgeräte und/oder keine datensicheren Leitungen gab. Nicht nur einmal wurde mir berichtet, dass die Beschäftigten im Büro ihre Akten abholten und dann zu Hause bearbeiteten – auch schon mal verbotenerweise den privaten Laptop einsetzten.

Der Berliner Rechnungshof hatte Ende April die Arbeit des Senats bei der Digitalisierung scharf gerügt. Besonders die Schulen, so die Präsidentin des Rechnungshofs, Karin Klingen, litten unter einer nicht funktionierenden Internetverbindung und unter der „uneinheitlichen, teilweise veralteten Technik“. Fünf Jahre nach Inkrafttreten des eGovernment-Gesetzes habe noch keine einzige Behörde ihren IT-Betrieb vollständig an den zentralen IT-Dienstleister – das ITDZ – übertragen, es gebe weder eine systematische Bestandsaufnahme noch eine Übersicht über den Finanzierungsbedarf, kritisierte Klingen.

Ob ihre Parteikollegin, die Berliner Staatssekretärin Sabine Smentek (SPD), zugehört hat? Smentek ist die zuständige Staatssekretärin für Informations- und Kommunikationstechnik. Seit fünf Jahren. Die Corona-Pandemie, sie bringt auch das an den Tag.