Berlin. Es tut sich etwas in unserem Land: In vier Monaten werden ein neuer Bundestag, das Abgeordnetenhaus und auch die zwölf Bezirksverordnetenversammlungen gewählt. Und auch, wenn wir so häufig über die Politik und die Politiker im Bund und in Berlin klagen, so ist mit den Wahlen doch auch Gutes verbunden: die Hoffnung auf neues Personal.
In Berlin werden sich der Regierende Bürgermeister Michael Müller, die Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci und Bildungssenatorin Sandra Scheeres (alle SPD) aus dem Senat verabschieden. Alle drei haben dies von sich aus öffentlich kundgetan, Müller kandidiert bekanntlich für den Bundestag. Vor allem Scheeres, die mit Abschluss dieser Legislaturperiode dann insgesamt zehn Jahre die Bildungspolitik in Berlin verantwortet hat, tut in diesen Tagen alles dafür, dass sie aber auch wirklich keiner vermissen wird. Ihre Bilanz der letzten zehn Jahre ist sowieso schlecht, doch seit zwei Wochen treibt Scheeres es wirklich auf die Spitze.
Ich frage mich, wie sie – zumal selbst Mutter zweier Kinder – sich so hartnäckig der Rückkehr zum regulären Schulbetrieb verweigern kann. Sieht sie nicht, was in den Familien los ist, wie sehr die Kinder und Jugendlichen nach 15 Monaten Corona-Pandemie leiden, wie sehr sie sich wünschen, ihre Freunde in der Schule wiederzusehen? Warum ist in Berlin nicht möglich, was in Brandenburg umgesetzt wird – die Rückkehr zum Präsenzunterricht vor den Sommerferien, auch wenn diese schon Ende Juni beginnen. In Brandenburg übrigens genauso wie in Berlin.
Offen ist noch, was aus den anderen Senatoren wird. Bei den Grünen würde Verkehrssenatorin Regine Günther gern weitermachen und hat diesen Wunsch auch schon via Medien platziert, doch die Unzufriedenheit mit ihrer Bilanz beim Ausbau der Radspuren oder Straßenbahnlinien ist groß. Justizsenator Dirk Behrendt wäre in einem neuen Senat mit Grünen-Beteiligung mit Sicherheit dabei, Wirtschaftssenatorin Ramona Pop, die selbst so gern Spitzenkandidatin geworden wäre, eher nicht. Bei den Linken gilt Kultursenator Klaus Lederer als Spitzenkandidat als gesetzt, sollten die Partei wieder an der Regierung beteiligt sein, alles andere ist völlig offen und hängt natürlich vom Ausgang der Wahl ab.
Eigentlich gebietet es sich auch, sich öffentlich etwas zurückzuhalten, ob man als Senator oder Minister weitermachen will – aus Respekt vor den Wählern und der künftigen Regierung. Umso erstaunlicher ist es, dass selbst ein Bundespräsident nicht davor zurückschreckt, seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit anzumelden. Als Frank-Walter Steinmeier am Freitag zur Pressekonferenz lud, kurzfristig, gingen viele Medienvertreter davon aus, dass Steinmeier seinen Verzicht auf eine zweite Amtszeit mitteilen werde. Warum auch sonst sollte er zur Pressekonferenz laden? Nun, es kam genau anders. Und das sage und schreibe neun Monate vor Ablauf seiner ersten Amtszeit.
Und das, obwohl völlig unklar ist, wer die nächste Regierung stellen wird, obwohl es möglich ist, dass die SPD nicht mehr an der Bundesregierung beteiligt ist, obwohl es sehr wahrscheinlich ist, dass sich die Mehrheitsverhältnisse in Deutschland – und damit auch die in der Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten wählt – nachhaltig ändern werden. Steinmeier wollte wohl – wer auch immer ihm dazu geraten haben mag – Pflöcke einschlagen, damit niemand mehr an ihm vorbeikommt. Aber vielleicht haben Union oder Grüne oder wer auch immer ab September regiert, ja etwas anderes im Sinn. Vielleicht eine Frau? Vielleicht eine parteiunabhängige Persönlichkeit?
Auch wenn es manche Politiker anders sehen: Wahlen sind immer eine Chance – auch auf neues Personal. Auf allen Ebenen.