Berlin. Die WM ist in Berlin für Deutschland erfolgreich gestartet – und lenkt von den Problemen der Stadt ab, meint Christine Richter.

Was für ein Auftakt, was für eine Werbung für Berlin: Die Handball-Nationalmannschaft hat ihre Vorrundenspiele in der Mercedes-Benz Arena gespielt – und uns begeistert. Mich jedenfalls sehr, denn neben den tollen Auftritten der deutschen Spieler, der großartigen Stimmung in der Berliner Arena, ist es auch ein bisschen ein Ausflug in meine Jugend: Früher habe ich viel Zeit bei den Handballspielen meines Bruders und der Freunde verbracht, da sprang die so typische Stimmung, die Aufregung und Anspannung gleich wieder über. Was für ein intensiver Sport!

In Berlin war ich leider lange nicht mehr bei einem Füchse-Spiel, umso mehr habe ich mich gefreut, dass diese Handball-WM wieder im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen wird. Da erfüllt der Rundfunk doch tatsächlich mal seinen Auftrag. Die Zahlen – zwischen sechs und acht Millionen Menschen schauten sich die Auftritte der deutschen Nationalmannschaft gegen Korea, Brasilien, Russland, Frankreich und Serbien an – sprechen für sich. Und mit dem Team um Trainer Christian Prokop stehen auch die drei Berliner Paul Drux, Fabian Wiede und Silvio Heinevetter nun zu Recht in der Hauptrunde.

Bessere Berlin-Werbung kann man sich wahrlich nicht wünschen. Und sie lenkt ein bisschen von den Problemen ab, die sonst so allgegenwärtig sind. Es ist wirklich erst eine gute Woche her, dass der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) bei seinem ersten öffentlichen Auftritt im neuen Jahr Enteignungen nicht grundsätzlich ausschloss. Und sich dafür aussprach, alle Wohnungen der früheren Wohnungsbaugesellschaft GSW zurückzukaufen. Das würde, so hat sich im Laufe der vergangenen Woche herausgestellt, wohl zwischen acht und 13 Milliarden Euro kosten. Verkauft hatte das Land Berlin die GSW im Jahr 2004 für rund 405 Millionen Euro. Inzwischen sind die Bestände im Besitz der „Deutsche Wohnen“ – und diesen Konzern hat Rot-Rot-Grün wegen dessen Klage gegen den Mietspiegel, den zahlreichen Mieterhöhungen und dem Umgang mit Mietern als Feind ausgemacht.

Beim Neujahrsempfang der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) vor einer Woche war die Aufregung über Müller und seinen Senat groß. In ihren Begrüßungsreden ließen IHK-Präsidentin Beatrice Kramm und Handwerkskammer-Präsident Stefan Schwarz das Thema – zum Leidwesen vieler Gäste – noch aus, wohl auch aus Rücksicht auf Müller, der ja ebenfalls zu den Unternehmern sprach. Aber in den Einzelgesprächen ging es dann zur Sache – auf große Unterstützung der Berliner Wirtschaft braucht der rot-rot-grüne Senat wohl nicht mehr zu zählen. „Das ist ein Tabubruch“, sagte ein einflussreicher Wirtschaftsmann. Viel war von „Schaden für Berlin“ oder „Veruntreuung von Steuergeldern“ die Rede. „Wissen die denn nicht, wie Marktwirtschaft funktioniert“, fragte eine Immobilien-Frau – begleitet von heftigem Kopfschütteln.

Als wohltuend werden Berliner Unternehmer es da empfunden haben, dass Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) am Dienstag auf die Bremse trat. Wer glaube, alles kaufen zu können, überschätze die Finanzmittel Berlins, sagte Kollatz, als er die guten Zahlen – 2,2 Milliarden Euro Haushaltsplus – verkünden konnte. Er rate zu einer „selektiven Zukaufspolitik“, so Kollatz. Berlin hat derzeit zwar Geld, aber eben auch noch 58 Milliarden Euro Schulden. Auch Kollatz weiß: Das Wohnungsproblem löst man mit dem Rückkauf der ehemaligen GSW-Wohnungen nicht, denn so wird keine einzige neue Wohnung gebaut.

„Vielleicht hat Müller das nur vorgeschlagen, weil er nicht weiß, was er mit den vielen Milliarden in der Landeskasse sonst machen soll“, mutmaßte ein Freund. „Mit dem Wohnungsneubau, den neuen Schulen oder Kitas kommen die doch nicht hinterher.“ Könnte es so einfach sein? Ein Ablenkungsmanöver? Kein Angriff auf die Marktwirtschaft? Ich wage es nicht zu glauben – und schaue jetzt erst mal weiter Handball. Der guten Laune wegen – Sie wissen schon.

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