Berlin. Eine ereignisreiche Woche geht zu Ende. Auch für Grünen-Chef Habeck sowie die Regierungskoalition in Berlin, findet Christine Richter.

Das wird ja munter, das Jahr 2019. Es fing jedenfalls schon einmal munter an. Auf Bundes- und erst recht auf Landesebene. Beispielsweise bei den Grünen: Deren Parteichef Robert Habeck legte gleich richtig los. In einem Video zum Wahlkampf in Thüringen, das von den Grünen produziert und auf Twitter veröffentlicht wurde, erklärte Habeck: „Wir versuchen, alles zu machen, damit Thüringen ein offenes, freies, liberales, demokratisches Land wird, ein ökologisches Land.“

Das ist schon bemerkenswert, dass Thüringen 30 Jahre nach dem Fall der Mauer zu einem „demokratischen Land“ werden soll. Und regieren die Grünen nicht in Thüringen mit? Der Spott war groß, Habeck entschuldigte sich auch, um dann aber die Schuld auf Twitter und die sozialen Netzwerke zu schieben. Er sei offensichtlich anfällig für diesen aggressiven Ton, meinte der Grünen-Mann – und kündigte medienwirksam seinen Rückzug von Twitter und Facebook an.

Ich habe Habeck im vergangenen Abgeordnetenhaus-Wahlkampf kennengelernt, als er noch Minister in Schleswig-Holstein war und die Berliner Grünen unterstützte. Sympathischer Mann, authentisch in dem, wie er auftrat, auch ein bisschen ein Menschenfänger. Aber in dieser Woche fühlte ich mich veralbert. Wenn das Video, das ja wohl ohne Zeitdruck produziert wurde, im Fernsehen veröffentlicht worden wäre, würde er sich dann auch aus dem Fernsehen verabschieden?

Zumal er im bayerischen Wahlkampf im vergangenen Jahr schon einmal Ähnliches gesagt hatte: Man müsse die CSU-Alleinherrschaft beenden, so Habeck, damit man sagen könne: „Endlich gibt es wieder Demokratie in Bayern.“ Das sagt sehr viel über das Selbstverständnis, ja, die Überheblichkeit der Grünen aus, wenn man so über die Politik in Deutschland spricht.

Von eigenen Fehlern abgelenkt

Immerhin gelang es Habeck, von seinem ganz eigenen Fehler abzulenken. Auf einmal diskutierten die Republik, die Politiker und Journalisten wild über Twitter und Facebook, über Distanz oder Abstinenz von den sozialen Medien. Das lohnt sich immer, ist aber im Fall Habeck nun wirklich nicht der Grund gewesen, dass er diesen politischen Fehler gemacht hat.

Für einen politischen Fehler halte ich auch das, was die Linken in Berlin in dieser Woche abgeliefert haben. Der Vorstand sprach sich strikt gegen die von Innensenator Andreas Geisel (SPD) geplante Verschärfung des Polizeigesetzes aus. Also gegen mehr Videoüberwachung, gegen einen sogenannten finalen Rettungsschuss bei Terroranschlägen, gegen eine elektronische Fußfessel für Gefährder. Auch von vereinfachten Möglichkeiten zur Telefonüberwachung wollen die Linken nichts wissen.

Und ich staunte nicht schlecht, als ich erfuhr, dass die Linken sogar die sogenannten kriminalitätsbelasteten Orte wieder abschaffen wollen. Das sind Gebiete, die die Berliner Polizei definiert, wenn sich die Kriminalität dort besonders stark entwickelt – beispielsweise ein Ort zum Drogenumschlagplatz mit vielen Gewalttaten wird. An diesen Orten hat die Polizei dann mehr Kompetenzen und darf beispielsweise die Personalien einfacher überprüfen. Das aber missfällt den Linken, weil sie ausgemacht haben wollen, dass dann vor allem Migranten kontrolliert werden. Und das – international auch bekannt unter „racial profiling“ – wollen die Berliner Linken ausdrücklich verbieten.

Aus der Koalition verlautet nun, dass es wegen der strikten Ablehnung der Linken nichts mehr wird mit einem neuen Polizeigesetz. Dass der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Geisel wohl nichts machen könnten, dass es dann auch nicht mehr Videoüberwachung in Berlin geben werde. „Aber Müller hat doch die Richtlinienkompetenz“, sagte ein Bekannter, dem ich davon erzählte.

Stimmt, aber die wird Müller nicht nutzen, denn dann würde die Koalition zerbrechen. So freut sich über die Position der Linken klammheimlich nur der politische Gegner: CDU und AfD werben für mehr Videoüberwachung – und haben jetzt schon ein Wahlkampfthema gefunden.

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