Berlin. In der SPD wächst die Kritik an Senatorin Lompscher. Die Linke keilt zurück und will gar nicht mehr bauen, meint Christine Richter.

Bei der Fußball-Weltmeisterschaft sind wir, die Deutschen, zwar auf peinlichste Art nach der Vorrunde ausgeschieden, ein Sommermärchen erleben wir aber dennoch. Ist dies nicht ein wunderbarer Sommer? Seit Wochen strahlt die Sonne vom Himmel, die Menschen verbringen mehr Zeit vor der Tür als in der eigenen Wohnung, die Biergärten und Straßencafés sind voll, die Freibäder ebenso, man muss gar nicht mehr auf die Wetter-App schauen, um den Termin mit Freunden zu planen, sondern kann sich getrost draußen verabreden. Dass es in dieser Woche an einem Tag, zugegeben sehr heftig, geregnet hat, war dann auch gleich Gesprächsthema Nummer eins – vor allem für Gartenbesitzer und Landwirte, die sich über den Regen freuten.

So sonnig es in Berlin zugeht, so düster aber die Stimmung in unserem Senat. Von Sommermärchen oder Urlaubslaune sind die rot-rot-grünen Koalitionäre weit entfernt. „Puh, werden wir schlecht regiert“, sagte dieser Tage ein Freund von mir, der selbst mal in der Berliner Landespolitik aktiv war. Anlass wieder einmal: die Berliner Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke). Ihre Aufgabe ist es, in Berlin neue Wohnungen zu bauen. So hat es Rot-Rot-Grün beschlossen, denn Berlin – das wissen inzwischen nun wirklich alle – wächst, rund 40.000 Menschen kommen jedes Jahr neu hinzu. Doch seit ihrem Amtsantritt gibt es Klagen über Lompscher. Aus der Wohnungswirtschaft, von Investoren, aus den Reihen der SPD. Weil Lompscher eben mehr die Mieter und den Bestand, also die eigene Wählerklientel, im Blick hat, weil Lompscher Wohnungsneubau eher erschwert, statt ihn zu fördern. So werden deutlich weniger Wohnungen fertig, als Rot-Rot-Grün sich vorgenommen hat. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) schimpft darüber auch mal öffentlich, seine Richtlinienkompetenz aber nutzt er nicht – wohl wissend, dass die Linke dann die Koalition platzen lassen würde.

Dem Vorsitzenden des SPD-Fachausschusses „Soziale Stadt“, Volker Härtig, reichte es jetzt – und er startete unter den rund hundert Mitgliedern des Ausschusses eine Umfrage, ob Lompscher bleiben oder zurücktreten oder entlassen werden sollte. Härtig, ein ehemaliger Grünen-Politiker, wählte für Lompscher den hübschen Titel „Stadtstillstandssenatorin“.

Die Umfrage fand dagegen keiner hübsch. Müller soll, so hört man, bei den Linken angerufen und erklärt haben, er habe mit dieser Mail-Umfrage nichts zu tun, die SPD-Landesgeschäftsführerin äußerte sich öffentlich und sprach von einem „sehr ärgerlichen Vorgang“, der Linke-Fraktionschef Udo Wolf tobte stellvertretend für Lompscher, die im Urlaub ist. Und die Linke-Chefin Katina Schubert keilte zurück – und warf der SPD vor, sie setze einseitig „auf Bauen, Bauen, Bauen“. Dabei werde doch schon „an jeder Ecke“ gebaut. Und überhaupt, so Schubert, „möglichst viele Wohnungen auf den Markt zu schmeißen“, wenn sich die keiner leisten könne, bringe gar nichts. Ich weiß ja, dass Frau Schubert genauso wie ich in Berlin lebt, aber was heißt denn: „An jeder Ecke wird schon gebaut.“ In Pankow jedenfalls nicht. Oder wie war das mit der Elisabeth-Aue, wo die Linke den Neubau verhindert hat? Oder wie ist das mit dem Blankenburger Süden, wo jetzt deutlich weniger Wohnungen entstehen sollen, weil die Linke sofort vor den Protesten eingeknickt ist? Die Marktwirtschaft, vermute ich, hat Frau Schubert verstanden. Sie müsste wissen, dass „Bauen, Bauen, Bauen“ die einzige Lösung gegen Wohnungsnot ist. Mein Verdacht ist, dass sie und die Linken gar kein Interesse an neuen Wohnungen für noch mehr Menschen haben, dass sie schon gar keine Gut- und Besserverdienende nach Berlin holen wollen.

Die Leerstandsquote in Berlin beträgt, so hat es der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) in dieser Woche mitgeteilt, übrigens nur noch 1,7 Prozent. Wohl dem, der eine Wohnung hat. Alle anderen – ja, die können sich bei unserem Senat für ihre missliche Situation beklagen.

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