Meine Woche

Die Zeichen stehen bei CDU und SPD auf Krise

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Christine Richter,  Chefredakteurin der Berliner Morgenpost

Christine Richter, Chefredakteurin der Berliner Morgenpost

Foto: Reto Klar

Bei der Berliner CDU rumort es, aber auch die Sozialdemokraten schaffen es aus dem Keller nicht heraus, beobachtet Christine Richter.

Das war schon sehr lustig: Als ich am gestrigen Sonnabendmorgen zum SPD-Parteitag kam, musste ich in den Keller hinabsteigen. Die Berliner Sozialdemokraten hatten sich für ihr zweitägiges Treffen mit der Nominierung der Europakandidaten und vor allem der Wiederwahl von Michael Müller zum SPD-Parteichef das Hotel „Andel’s“ an der Landsberger Allee ausgesucht. Ein imposanter Bau, mit einer großen Lobby. Schon in der Wandelhalle wiesen SPD-Aufkleber auf dem Boden die Richtung zum Parteitag. „Sehr hilfreich“, freute ich mich – und folgte den Zeichen. Und dann ging’s plötzlich in den Keller hinab. Viele Stufen. Mehr Symbolik geht ja kaum.

„Zumindest ist es hier schön kühl“, meinte der Berliner Parlamentspräsident Ralf Wieland lachend, als ich ihn darauf ansprach. Wieland hat schon viel mit seiner Partei erlebt und wundert sich wahrscheinlich über nichts mehr. Aber man fragt sich schon: Wer denkt sich so etwas nur aus, wenn doch die Partei bundesweit und auch in Berlin nur noch bei 17, 18 Prozent in den Umfragen liegt? Ein solcher Parteitag, zumal ein solch wichtiger mit der Wahl von Michael Müller, wird doch von Sozialdemokraten vorbereitet. Von einem CDU-Mann jedenfalls nicht.

Die CDU ist – das muss man zum Ende dieser irritierenden politischen Woche in Berlin feststellen – jetzt erst mal mit sich selbst beschäftigt. Nach dem überraschenden Rücktritt von Florian Graf wird nun ein Nachfolger gesucht, und da wollen viele mitreden und ihre eigenen Vorstellungen durchsetzen. Da die CDU-Landesvorsitzende Monika Grütters in Paris weilte und die starken CDU-Kreisvorsitzenden sich in ihrer Abwesenheit schon auf Mario Czaja, den ehemaligen Sozial- und Gesundheitssenator, als neuen CDU-Fraktionschef verständigt haben, ist die Stimmung auch dort im Keller.

Monika Grütters fühlt sich übergangen

Grütters fühlt sich übergangen – zu Recht–, die Kreisvorsitzenden wollen sich von ihr aber nicht vorschreiben lassen, wen sie zu unterstützen haben. Und dass sie sich ihrer Macht bewusst sind, haben sie schon am 2. Dezember 2016 gezeigt: Da ließen sie den von Grütters vorgeschlagenen CDU-Generalsekretär Stefan Evers im ersten Wahlgang einfach mal durchfallen. Den Imageschaden, den dadurch auch Grütters erlitt, nahmen die Kreisvorsitzenden schon damals in Kauf.

Auch das ist in dieser Woche wieder so deutlich geworden: Solche Umbruchphasen zeigen stets, dass es in den Parteien doch zuerst um Personen, dann um Inhalte geht. Florian Graf hat bei seiner Rücktrittsentscheidung zuallererst an sich und seine persönliche Zukunft gedacht, nicht an die Partei, schon gar nicht an politische Inhalte. All die, die in der CDU jetzt sehr viel rumtelefonieren, denken ebenfalls vornehmlich an sich. Bleiben sie im Fraktionsvorstand? Können sie sich noch mehr Einfluss verschaffen? Die Frage „Mit wem und mit welchem Team haben wir die besten Chancen, das Rote Rathaus zu erobern?“ spielt eine untergeordnete Rolle.

In der Berliner SPD geht man inzwischen davon aus, dass Mario Czaja der Gegenspieler von Michael Müller, ja, der Oppositionsführer im Abgeordnetenhaus wird. Man kennt sich gut, war Czaja doch fünf Jahre lang Senator. Während der Flüchtlingskrise gab es da mächtig Zoff zwischen Müller und Czaja, schon damals war Czaja von der SPD als derjenige CDU-Politiker identifiziert worden, der den Sozialdemokraten am gefährlichsten werden könnte. Seitdem ist das Verhältnis zwischen den beiden, gelinde gesagt, angespannt.

Aber an diesen Ton müssen wir uns in Berlin offenbar gewöhnen. Müller hat in dieser Woche wieder einmal sehr über Bausenatorin Katrin Lompscher geschimpft, weil diese mit dem Wohnungsneubau nicht vorankomme und weil sie erlaubt habe, dass Senatsbaudirektorin Regula Lüscher ein dreimonatiges Sabbatical nimmt. Müller beklagte außerdem, dass Grüne und Linke die falschen politischen Schwerpunkte setzten. Nach außen schweigen Linke und Grüne zu den Vorwürfen Müllers, intern aber ist die Stimmung angespannt. Gelinde gesagt.

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