Im Bandol sur Mer gleicht das Interieur-Design einer Kantine im Schieferbruch, mit Kreide beschriftete Tafeln, nackte Schiefertische, im kleinen Gastraum unbequeme Stühle und direkt mit dem Gastraum verbunden: eine winzige Küche. Wo die beiden (zwei pro Schicht) Köche auf engstem Arbeitsplatz wirken.
Vieles in dem kleinen Restaurant ist aus der ehemaligen Kantine des Zentralkomitees der ehemaligen DDR zweitverwertet. Man ist als Gast nicht nur dabei, sondern mittendrin. Soweit die Beschreibung der Optik, die in meiner Punktewertung allerdings zu Null tendiert. In diesem Rahmen aber werden, das ist die wertvolle Kehrseite der Medaille, absolut köstliche Gerichte produziert und mit sehr viel Service-Charme dem Gast serviert. Kaum zu glauben, aber für mich war die Gästepflege im Bandol sur Mer eine reine Offenbarung.
Selbstgebackenes Brot und Amuse Bouches
Das Brot vor dem Diner wurde vom Team selbst gebacken, mit krosser Kruste und Oliven. Dann kamen die Menüs. Ich entschied mich für Menü II, das mit fünf Gängen plus Amuse Bouche preiswert mit 64 Euro berechnet wurde. Die Foie Gras de Maison (Gänseleber nach Art des Hauses) wurde rustikal angerichtet, mit ausgelassener Elsässer Speckscheibe, Bohnen, Spänen von Bitterorange (für die nötige feine Säure) und Brioche. Gewiss habe ich das Gericht nicht in dieser Form und Geschmacksrichtung erwartet - doch Qualität und Zubereitung waren ausgezeichnet. Das Zusammenspiel der Aromen stimmte.
Der zweite Gang war wie ein Biss ins Meer: Fin de Claire-Auster mit Avocado, Papaya, Olivenöl und geschmacklich dominiert von Estragon. In der Regel esse ich Austern am liebsten naturbelassen, nur mit etwas Zitronensaft. Diese Kombination hier, mal roh, mal gratiniert, war eine schmackhafte Variante. Allzu häufig lassen Köche die Étouffée-Taube zu blutig servieren. Das war auch hier im Bandol sur Mer, einer ehemaligen Dönerbude, der Fall. Ansonsten kam das Gericht exakt wie ich es mag auf den Teller, leider nur mit Blutspur. Aber die begleitenden Aromen, wie leicht geräucherte Rote Bete, Spinat oder Kalbskopfvinaigrette, passten.
Prominenter Mitesser
Zur gleichen Zeit bekam Joschka Fischer, der ehemalige Außenminister, am Nebentisch seinen Havelzander. Kross gebraten mit geschmortem Sellerie, einer Spur Sherry und Brunnenkresse war dieser angerichtet. Vor dem Hauptgang wechselte ich beim Wein von meinem vorzüglichen Puligny-Montrachet (perfekt temperiert) zu einem Glas offenem Pomerol. Es wurde nämlich Fleisch pur angerichtet, Zweierlei vom Nebraska Rind mit Kohlrabi und herzhaftem Zwiebelragout, Scheiben vom Entrecôte und bei Niedrigtemperatur geschmorten Short Ribs (die kurzen Rinderrippen). Letzteres war vorzüglich. Das Kurzgebratene war von der Fleischqualität leider sehnig und viel zu fest. Der Anteil der Küche war okay, perfekt gegart und gut gewürzt. Die Kritik richtet sich allein gegen das Produkt.
So, wie das Dessert angerichtet ist, kommt keiner daran vorbei. Eine bunte Mischung sorgt für den süßen Abschluss: höchst aromatische Cognac-Kirschen, knackiges Crumble, Nougat und einen Teelöffel Sorbet. Nicht zu viel, aber lecker.
Ganz gewollt ganz anders
Das Menü I mit Thunfisch plus Kürbis, mit Langustinen und Schweinekinn, dem schon genannten Havelzander, Frischkäse, Apfel und Holunder, vier Gänge also, sind mit 54 Euro kalkuliert. Was macht die Zufriedenheit in diesem alternativen Szenerestaurant mit nur 19 Plätzen aus? Es ist die Eigenwilligkeit der Gerichte. Nie stromlinienförmig, sondern gewollt anders. Das Paradegericht des Hauses beispielsweise ist die Foie Gras (Gänseleber), die regelmäßig anders angerichtet wird, mal mit Fruchtkomponenten, mal rustikal und anstatt normalem Salz oder Gewürzmischungen wird zum Aromatisieren manchmal die Haut eines Huhnes, knusprig angebraten und nach dem Abkühlen zerstoßen, über die rechteckig geschnittene Leber gestreut. Koch Andreas Saul, der längere Zeit mit Sternekoch Marco Müller aus dem Rutz gearbeitet hat, holt sich Anregungen häufig in Frankreich.
Er ist darüber hinaus regelmäßig auf Produktsuche in der Bretagne, an der Côte d'Azur und der Provence. So hat er beispielsweise eine Lieferantin gefunden, die ihm die Tauben direkt ins Restaurant oder Quitten von einem Bauernmarkt schickt. Es wird hier ganz bewusst auf mediterranen Mischmasch verzichtet. Ausschließlich französische Gerichte stehen auf dem Plan. Eine Marktnische, denn da ist Berlin wahrlich nicht stark besetzt.
Viel regionale Ware verarbeitet
Da stört es nicht, dass viele Klassiker auch mit regionalen Produkten verarbeitet werden, von Jägern und Fischern aus der Schorfheide beispielsweise. Die Karte im Bandol sur Mer ist bewusst klein gehalten, weil nichts, wirklich gar nichts zugekauft wird. Alles eigene Herstellung. Das Brot wird in der Früh gebacken, dann folgt das Sauceansetzen bis hin zum Rupfen der Tauben. Insgesamt eben ein ausgesprochen ungewöhnliches Restaurant.
Das Einzige, was mir fehlt, sind zusätzlich zu den beiden Menüs ein paar Tagesempfehlungen oder für den, der gerade Lust darauf hat, ein paar Salate.
Die Weinkarte ist klein gehalten, hat aber einige durchaus edle Kreszenzen und der Service ist - wie eingangs erwähnt - eine Extraklasse, was man hier ebenfalls nicht erwartet hätte. Wer mit Optik und Ambiente nicht zimperlich ist, dem empfehle ich diese "Freestyle-Küche". Das Trois Minutes, das den gleichen Besitzern gehört und ebenfalls französisch ausgerichtet ist, wurde vor gut einem Jahr eröffnet. Es ist der kleine Bruder des Bandol sur Mer. Gleich nebenan, aber mit deutlich größerem Gastraum und umfangreicher Karte.
Bandol sur Mer Torstraße 167, Mitte, täglich ab 18 Uhr, Tel. 67 30 20 51, keine Kreditkarten
Heinz Horrmann schreibt jeden Sonnabend für die Berliner Morgenpost