Es ist schon ein großes Kompliment, wenn ein Top-Koch der Stadt wie Christian Lohse einen Chinesen als besonderes Lieblingsrestaurant nennt. Ich stelle Ihnen heute das Hot Spot vor, in dem Jianhua Wu und seine Frau Huiqin Wang ganz besondere Gastgeber sind und authentische Speisen aus den Provinzen Sichuan (scharf) und Shanghai (mild) offerieren.

Das absolut Außerordentliche allerdings ist die für ein China-Restaurant völlig ungewöhnlich umfassende Weinkarte und die besondere Pflege der Kreszenzen. Mit einem großartigen Bordeaux bekommt das chinesische Essen einen völlig anderen, nochmals höheren Stellenwert.

In seiner wenig gelesenen Essay-Sammlung "Der große Wok am Bambusfluss" bemerkt der Schriftsteller und Feinschmecker Ling Piao Wu im 18. Jahrhundert ziemlich gallig: "Die Westbarbaren haben zwar die Gabel erfunden, anstelle unserer Stäbchen, aber wir Chinesen können dafür kochen und die nicht."

Heute können auch wir Westbarbaren uns ein Urteil über die chinesische Küche bilden. Oder, besser gesagt, was wir für original chinesische Gerichte halten. Kaum eine Küche bedient dabei so viele Klischees: Ente süßsauer, Glückskekse oder Frühlingsrollen sind Assoziationen, die sich aufdrängen. Hier im Hot Spot wird aber nichts europäisch eingefärbt, und, das möchte ich hervorheben, endlich einmal kein Glutamat als Geschmacksverstärker verarbeitet.

Nun ist es wahrlich zu einfach, auch falsch, von "der" chinesischen Küche zu sprechen. Kein Land der Welt hat mehr kulinarische Richtungen. Da kommen die Rezepte aus Sichuan zum Einsatz, wo es feuerscharf zugeht, ebenso Gerichte aus Shanghai, mit dem anderen Extrem, einer samtig milden Würze.

Die Wus sind liebenswerte Gastgeber. Sie haben ihre Speisekarte mit den Symbolen von Paprikaschoten versehen: ohne bedeutet mild, einmal Paprika heißt leicht scharf, zwei schon kräftiger, und drei: Gerichte für Feuerschlucker.

Wie das gebratene Schweinefleisch mit Bambus, Morcheln, Champignons und viel, viel Paprika. Oder die Garnelensuppe mit Koriander, feiner Säure, aber richtig scharf. Für ganz harte Gewürz-Fans sind die mit vier Schoten ausgewiesenen Spezialitäten. Ich habe das Shuizhu-Niurou Rindfleisch genossen und nach Atem gerungen. Das Fleisch ist in einer kräftigen Sauce aus Chilipulver, Chilischoten, Sichuan-Pfeffer, Knoblauch, Ingwer und Bohnenpaste gegart und wird mit Chinakohl und Sellerie serviert.

Um nicht zu scharfe und nicht zu milde Gerichte zu ordern, sollte man sich von Mister Wu beraten lassen. Die Auswahl ist riesig. Die Preisgestaltung äußerst moderat. Haben Sie die Möglichkeit zur Planung, dann genießen Sie auf Vorbestellung doch einmal eine Bier-Ente. Die halbe Ente wird in Tsingtao-Bier geschmort und mit Glasnudeln, Sellerie und Chinakohl kombiniert. Oder versuchen Sie einen Feuertopf mit reichlich Zutaten auf einer großen Platte mit Garnelen, Tofu, Lammfleisch und mehr. Mein Favorit ist die Pekingente, die eine richtig krosse Haut bekommt, weil sie mehr als 24 Stunden eingelegt und luftgetrocknet wird. Danach erst wird sie von den Köchen des Hauses frisch gebacken.

Leicht wird das Fisch-Angebot übersehen. Dabei reicht es von Fischbällchen und Garnelen mit Cashewkernen bis zum Karpfen- und Rotbarsch-Filet in verschiedenen Zubereitungen. Auch hier sei vor dem Vier-Paprika-Hinweis gewarnt. Das Gericht heißt Shuizhu-Yupian und scheint vom Belzebub persönlich abgeschmeckt worden zu sein. Während immer mehr Restaurants in der Stadt sich allein auf das Abend-Menü konzentrieren, macht Herr Wu mit kleinen Kantinen-Preisen (Suppen 2,90 Euro, Lunch sechs Euro) auch mittags Appetit. Dafür bekommt der Gast dann gebratenes Hähnchenbrustfilet, Schweinefleisch in kleinen Streifen oder Tofu nach Familienart auf den Teller.

Während das ganze Ambiente sehr einfach wirkt, ist ein belebendes Element die große Weinpräsentation auf der Anrichte. Wein ist Mister Wus Hobby, ja, seine Leidenschaft. Er hat nicht nur eine der besten Riesling-Karten, sondern auch ein sehr komplettes Bordeaux-Programm mit ersten Gewächsen von Mouton-Rothschild, Château Margaux und für Gäste, die nach dem Dessert etwas Edelsüßes genießen wollen, einen 89er-Château d`Yquem.

Jeder Gast fühlt sich wie bei einer chinesischen Familie privat eingeladen. Da wird man auch gern in das Familiengespräch einbezogen. Wer ein wenig innere Einkehr sucht, der muss höflich ein Stopp-Schild setzen.

Heinz Horrmann schreibt jeden Sonnabend für die Berliner Morgenpost

China-Restaurant Hot Spot Eisenzahnstraße 66/Ecke Kurfürstendamm, Tel. 89 00 68 78, Täglich von 12 bis 23 Uhr, www.restaurant-hotspot.de