Sockel, Aura und Getue stören nur: Ein paar Gedanken während eines Museumsbesuchs mit der Tochter.

In den vergangenen Wochen war ich sehr stark mit Kunst beschäftigt. Mich treibt zum Beispiel die Frage um, wie ich meine eigenen Kinder, zwölf und 15 Jahre alt, dafür begeistern kann. Der klassische Museumsbesuch, bei dem man vor Exponaten steht und Texttafeln studiert, ist für die vollständig digital aufwachsende Generation oft gleichbedeutend mit bleierner Langeweile. Nun finde ich schon, dass man auch als Dauerbenutzer eines Smartphones noch lernen sollte, dass das Studium von Texten in der analogen Welt aufregend sein und klüger machen kann. Das schließt aber nicht aus, dass man auch anderen Zugängen zur Kunst gegenüber aufgeschlossen ist.

Kürzlich bin ich mit der Zwölfjährigen im Hamburger Bahnhof gewesen. Dort ist noch bis zum 14. Januar kommenden Jahres die Installation „Devouring Lovers“ der spanischen Künstlerin Eva Fàbregas zu sehen. Die historische Halle sieht aus, als würden bunte Riesenwürmer dort eine tolle Party feiern: Sie hängen von den Stahlträgern, breiten sich in den Ecken aus und bilden unübersichtliche Haufen, während manche von ihnen sich langsam bewegen, als wären sie lebendig. Alles macht den Eindruck des Quietschlebendigen, ich musste kurz an die lustige Fernsehfigur Zini denken, eine Art elektronisch erzeugter Wurm, der in meiner Lieblingskindheitssendung „Spaß am Dienstag“ über die Bildschirme flimmerte. Doch gleichzeitig hat die Installation auch etwas Beunruhigendes, Unheimliches – man fühlt darin irgendwie fremd, als sei man unversehens in ein außerirdisches Gelege gesteuert – oder in ein „riesiges Nest von Insekteneiern“, wie meine Tochter so treffend sagte.

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Die davon übrigens restlos begeistert war und ziemlich viele Selfies machte. „Devouring Lovers“ ist Kunst, die eine große Assoziationsmaschine anwirft, und es ist deshalb nur folgerichtig, dass Kuratorin Anna-Catharina Gebbers nur für einen kurzen, erläuternden Text an der Wand entschieden hat – den man lesen kann, wenn man möchte, aber das ist nicht zwingend erforderlich. Man kann ja selbst mit dieser Kunst anstellen, was immer man möchte, und dabei lernt man vielleicht etwas über sich.

Das ist ja so oft das Problem mit der Kunst: Sie scheint auf einem unerreichbaren Podest zu ruhen und nur für Eingeweihte gedacht zu sein. Was ihnen an erläuternden Texten beigegeben ist, besteht viel zu häufig aus rätselhaften oder formelhaften Phrasen. Da werden dann „kritisch die Bedingungen künstlerischer Produktion hinterfragt“, „wirtschaftliche, soziale und ökologische Rahmenbedingungen thematisiert“ oder „ortsspezifische Anklänge aufgenommen“. Mal abgesehen davon, dass das alles Banalitäten sind: Welches zwölfjährige Kind soll sich davon angesprochen fühlen?

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Wenn man bedenkt, dass es diese Generation ist, die in vielleicht 30 Jahren über den Fortbestand öffentlich finanzierter Kunst zu entscheiden hat, dann wird klar, dass man sich um sie in besonderem Maße bemühen sollte. Till Fellrath und Sam Bardaouil, die beiden neuen Leiter des Hamburger Bahnhofs, haben in ihren bisherigen Ausstellungen dafür schon viel Sensibilität bewiesen – jedenfalls zeugen die Reaktionen meiner Tochter davon. Danach waren wir noch in der faszinierenden Schau „Simple Facts“ des US-Künstlers Fred Sandback, der nur mit Fäden ganze Räume schafft. Wir diskutierten angeregt darüber, wie diese Fäden wohl an Decken und Boden festgemacht sind, es war wirklich nicht zu erkennen.

Auf Social Media gibt es übrigens auch eine Menge Kunst, die großen Spaß machen kann. Mein jüngstes Beispiel dafür ist Paulus Goerden, der an der Kunstakademie Düsseldorf studiert. Er fiel mir zum ersten Mal im pandemiegeschüttelten Dezember 2020 auf, als er vor dem Berliner Ensemble mit Kreide die Silhouetten von Passanten nachzeichnete und damit elegant klar machte, was dem Theater wegen der hygienebedingten Schließungen schmerzlich fehlte: das Publikum. Auf seinem Instagram-Account ist Goerden vor allem deshalb interessant, weil er überall in der Stadt mehr oder minder zufällige Arrangements von Gegenständen – Besen, Europaletten, Eimer, solche Dinge – zu interessanten Installationen erklärt. Und wenn man genau hinsieht, stellt man fest verblüfft fest: Er hat recht.