Berlin. Als der Junge aus zehn „Meter“ Höhe vom Sprungturm ins Schwimmbecken schaute, verließ ihn der Mut. Er sprang nicht. Der Bademeister, der hinter ihm stand und Feierabend machen wollte, beförderte den jungen Badegast mit einem Fußtritt dennoch in die Tiefe, was dem einen (dem Jungen) einen Schock und dem anderen (dem Bademeister) die Suspendierung einbrachte, nachdem der Vorgang ausgiebig in den Boulevard-Blättern ausgewalzt worden war.
Da ich von manchen Lesern der Einfachheit halber für alles in fremden Titeln Gedruckte und im NDR oder rbb Gesagte herhalten muss, landeten die Proteste bei mir. Dabei ging es eigenartigerweise nicht um den unglaublichen Vorgang, sondern um die Grammatik. Die Schlagzeile „Ein Tritt in zehn Meter Höhe“ geriet in die Kritik. Wo passierte das, wie wurde es formuliert? Mit einer Präposition im Dativ, also müsse es „in zehn Metern Höhe“ heißen.
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Ich wage zu widersprechen. Wenn bei Maß-, Mengen- und Münzeinheiten das Gemessene („die Höhe“) folgt, wird die Maßangabe („zehn Meter“), sofern es sich um ein Maskulinum oder Neutrum handelt, nicht flektiert: also „in zehn Meter Höhe“. Ebenso: In zehn „Kilometer“ Entfernung konnte man den Knall hören. Folgt das Gemessene nicht direkt, wird die Maßangabe hingegen gebeugt: in einer Entfernung von zehn „Kilometern“. Er baute einen Zaun von „zwei Meter“ Höhe, aber: in einer Höhe von „zwei Metern“. Mit „fünf Litern“ kommen wir nicht aus (aber: mit „fünf Liter Benzin“). Von den „fünf Zentnern“ müssen wir den Schwund abziehen.
Die Maßangabe mit Zahlwort und Maßbezeichnung erscheint in der Regel im Nominativ Singular, selbst wenn die Gesamtmenge einen Plural ergäbe: drei Glas Kölsch, vier Maß Bier, fünf Sack Hafer, zwei Pfund Mehl, sieben Paar Schuhe, zehn Grad Kälte, drei Block Papier, fünf Stück Holz oder: Es meldeten sich nur „drei Mann“ (nicht: Männer).
Handelt es sich jedoch um Feminina als Maß- oder Münzbezeichnungen („die“ Flasche, „die“ Tasse), so erhalten sie immer eine Pluralendung: zwei Flaschen Wein, drei Tassen Kaffee, vier Kannen Wasser, 1000 Tonnen Heizöl. Bei einigen fremden Einheiten schwankt der Gebrauch: fünf Yard neben fünf Yards, zehn Inch neben zehn Inches.
Münzbezeichnungen stehen im Allgemeinen im Singular: Das kostet 200 Euro (nicht: Euros) oder 50 Cent (nicht: Cents). Wenn Klein Susi „fünf Cent“ in ihr Sparschwein steckt, dann steckt sie ein Fünf-Cent-Stück in den Schlitz, wenn sie aber „fünf Cents“ sparen will, so muss sie dem Schweinchen fünf einzelne Ein-Cent-Münzen anvertrauen.
Bildet sowohl die Maßangabe als auch das Gemessene den Genitiv mit „-s“, so wird die Aufeinanderfolge zweier starker Genitive vermieden: der Mineralgehalt eines Glases Wasser (selten: eines Glas Wassers), die Kalorien eines Tropfens Öl (selten: eines Tropfen Öls), der Preis eines Pfundes Fleisch oder: um eines Stückes Brot willen. Man darf nicht bei-de Bestandteile in den Genitiv setzen (nicht: der Preis eines Pfundes Fleisches), und noch schlimmer ist es, ihn ganz zu unterschlagen (nicht: wegen eines Glas Wasser), wie man es häufig in der Umgangssprache hört, wenn sich jemand im Labyrinth der Deklination verlaufen hat und mitten im Satz ins Stottern gerät.
Das Gemessene steht häufig allein mit einem Zahlwort, während die Maßbezeichnung weggelassen wird. Das er-leichtert besonders die Bestellung beim gestressten Kellner, wenn man sie ihm quer durch das Lokal zuruft: „zwei Kaffee, drei Bier, drei Eis, vier Korn“. Eingebürgert hat sich zudem, nur die Zahl zu nennen: Mein Sohn ist sechs, hier darf man nur 30 fahren.
Das Dutzend in der Bedeutung „An-zahl von zwölf Stück“ sollten wir als Substantiv auffassen und deshalb großschreiben: zwei Dutzend Eier. „Dutzend“ wird flektiert, wenn der Fall nicht durch ein anderes Wort festgelegt ist: Dutzende von Eiern, aber: einige Dutzend Eier. Nach „Dutzend“ steht das Gezählte meistens im gleichen Kasus, nicht im Genitiv: ein Dutzend hart gekochte Eier; mit drei Dutzend frischen Eiern (nicht: frischer Eier).