Hinter Gittern und einem Graben. So feiert ein Tier im Zoo Geburtstag. Selbst als Weltstar. Berlins weltberühmter Eisbär Knut hat zu seinem zweiten Geburtstag die Fans wieder in Scharen in den Zoo gelockt. Dutzende stimmten „Happy birthday“ an, als sich der Bär am frühen Nachmittag den Besuchern zeigte. Kamerateams und Hunderte Besucher hatten zuvor schon geduldig auf den Publikumsliebling gewartet.
Wer dem berühmten Eisbären Knut gratulieren wollte, musste sich beeilen. Die Party war zeitlich befristet: Reviertierpfleger Ronny Henkel warf Knut um 13.30 Uhr zwar keine Karpfen in den Wassergraben, servierte ihm aber eine Geburtstagstorte mit Fisch.
Im Vorjahr gab es noch Reiskuchen mit Gemüse, er hat nicht lange gehalten. Inzwischen hat der Vier-Zentner-Bär noch mehr Appetit – schließlich kommt er in die Pubertät. Und die bleibt so turbulent wie sein bisheriges Leben, angefangen damit, dass seine Mutter ihn verstoßen und sein Bruder gestorben ist und er als Eisbär zum Sinnbild für die Klimakatastrophe wurde.
Nach Angaben der Initiative „Knut – forever in Berlin“, die für den Verbleib Knuts in Berlin schon rund 21.000 Unterschriften gesammelt hat, wird Knut sein Geburtstagsgeschenk vor internationalen Fans verzehren. Aus ganz Europa und sogar aus Übersee hätten sich Besucher angemeldet.
Turbulent war auch die vergangene Woche. Zu deren Beginn klang es plötzlich so, als solle Knut bis zum kommenden Osterfest raus aus Berlin. „Heiligabend verbringt Knut in Berlin, Ostern wäre ich mir nicht so sicher“, hatte Knuts Eigentümer Peter Drüwa vom Tierpark Neumünster gesagt. Dabei hat Janosch Santho vom Zoo Amsterdam noch keine Entscheidung getroffen. Der Mann koordiniert das Europäische Erhaltungszuchtprogramm für Eisbären, das auch für Knut gilt. Stattdessen wird spekuliert.
In der Diskussion um die Zukunft von Knut hat sich Berlins Regierender Bürgermeister für den Verbleib des Eisbären in der Hauptstadt ausgesprochen. Der Zeitung „B.Z.“ sagte er anlässlich von Knuts zweijährigen Geburtstags, „natürlich würde ich mir wünschen, dass Knut in Berlin bleiben kann. Was er in seinen zwei Lebensjahren weltweit an Sympathien auch für unsere Stadt gewonnen hat und was er uns allen an Freude gemacht hat, das ist schon großartig“.
Englische Zeitungen haben das Thema aufgegriffen und sehen nach Immobilienbranche und der Automobilindustrie nun in Knut das jüngste Opfer der globalen Finanzkrise. Denn eine ungenannte Quelle aus dem Zoo Berlin soll gesagt haben, dass für ein neues Eisbärengehege das Geld fehle. Die Rede war von neun Millionen Euro. Gewiss, die Senatsverwaltung für Finanzen wird keine zusätzlichen Mittel aus der Landeskasse locker machen – der Zoo erhält in diesem Jahr schon 1,8 Millionen Euro. Doch sogar der Zoo-kritische Tierschutzbeauftragte Klaus Lüdcke fordert den Verbleib des Promi-Bären an der Spree, die Experten von der Berlin Tourismus Marketing GmbH sowieso. Und wofür die zahlreichen Knut-Fans plädieren, ist klar.
Alle sehen gute Chancen, über Spendenaufrufe, Vermarktung und Sponsoring die Summe einzutreiben. Blaszkiewitz selbst will erst über Logistik und Ausgaben nachdenken, wenn Knuts Verbleib geklärt ist. Hinzuzufügen ist, dass das Herz der Kuratoren, Tierärzte und Biologen im Zoo nicht für das Individuum schlägt, sondern für die Art. Sie denken an den Zuchtauftrag – ein Grund, warum Eisbären in Zoos und damit in Gefangenschaft gehalten werden.
Am Freitag zu Knuts Feierminuten wird Blaszkiewitz nicht da sein. Er weiht im Tierpark eine Anlage für Reiher ein. Dabei hat er in den vergangenen Monaten ungewohnte Töne angeschlagen. Nannte er den weltberühmten Polar-Brummer anfangs spöttisch „Kuno“ und wäre ihn ob seiner Prominenz lieber gestern als morgen losgeworden, brummt er, befragt nach Knuts künftiger Unterkunft, inzwischen ein „Meinetwegen kann er bleiben“. So hat er das Thema vom Tisch.
Die Frage nach dem Standort aber bleibt, und ist das zweite Argument für den Besuch beim Weltstar. Die Polarkappe wird jedenfalls nicht Knuts neues Zuhause und der Zoo Hannover wird es auch nicht mehr. Der Erlebniszoo wollte den Berliner Promi als Attraktion für die im Bau befindliche Themenwelt Yukon Bay. „Doch jetzt kommt Knut nicht mehr in Frage. Wir erhalten Zwillinge aus Wien“, sagte gestern Zoo-Mitarbeiterin Christiane Reiss. Zwei Brüder sind es, Arktos und Nanuk, gerade mal ein Jahr alt. Die beiden gehen im Jahr 2010 nach Hannover. Wiener Schmäh siegte über Preußische Zurückhaltung.
Inzwischen haben sich Internet-Buchmacher von Unibet der Frage angenommen und zahlreiche Zoos in Europa mit Quoten versehen. Favorit mit einer Quote von 3,50 ist die Zoom Erlebniswelt in Gelsenkirchen, wo die vier Jahre alte Eisbärdame Lara „sehnsüchtig“ auf einen Partner wartet. Dabei ist selbst Gelsenkirchen nicht mehr sicher. Sprecherin Sabine Haas bestätigte gestern zwar: „Wir wollen Knut.“ Allerdings warte man schon so lange auf eine Antwort aus Berlin, dass man sich über jeden männlichen Eisbären freuen würde. Hauptsache, es kommt mal einer.
Unter den zahlreichen ausländischen Zoos, die Unibet bewertet, schneidet der Bärenpark in Orsa (Schweden) mit einer Quote von 7.50 am besten ab. Da hätten Knut-Fans wirklich weite Wege.
Dem Objekt der Begierde selbst dürfte die Debatte einerlei sein. Knut interessiert sich für Frauen noch nicht, sagt Blaszkiewitz. „Da gehen noch zwei bis drei Jahre ins Land.“
Umgekehrt ist er äußerst anziehend. Im Jahr 2007 verzeichnete der Zoo rund 3,2 Millionen Besucher. Im Jahr zuvor waren es rund 2, 5 Millionen Gäste, in diesem Jahr könnten es 2,9 Millionen werden.
Zu Knuts erstem Geburtstag vor einem Jahr brachten Hunderte von Gratulanten Fußbälle aus Leder und Plastik, Bälle und Beißringe mit. Unter ihnen am Gehege stand damals auch Thomas Dörflein. Der Reviertierpfleger ist im September dieses Jahres plötzlich verstorben. Knut feiert jetzt seinen ersten Geburtstag ohne Ziehvater. Merken wird er es nicht. Aber die Fans.
mit dpa