Halberstadt/Osterode. Zwei Wochen nach dem erneuten Waldbrand im Harz kochen die Gerüchte. Häufig fällt dabei auch das Stichwort: Brandstiftung. Doch wie liegen die Fakten?

Dreimal kam es im vergangenen Jahr zu Großbränden auf dem Brocken im Harz. Im April, im August und zuletzt im September. Unter dem Eindruck des mehrtägigen Löscheinsatzes und bundesweiter Aufmerksamkeit einigten sich Politik, Verwaltung und Einsatzkräfte auf mehrere Maßnahmen zur verbesserten Brandbekämpfung an Norddeutschlands höchstem Berg. Mit Erfolg: Der erste Großbrand 2023 war in weniger als 24 Stunden gelöscht.

Alle Beteiligten sind sich einig, dass die neuen Löschflugzeuge, die kürzeren Wege und die eingespielten Rettungskräfte eine merkliche Verbesserung der Lage am Touristenmagnet Brocken erzielt haben. Kaum Einigkeit besteht aber an der eigentlichen Wurzel des Problems: Wodurch entstehen die Brände oder gar: Wer ist verantwortlich?

Spekulationen zu Waldbränden am Brocken

Mit wem man auch spricht: Die Leute sind vorsichtig – möchten keinen Mutmaßungen Vorschub leisten oder Gerüchte in die Welt setzen. Gleichwohl ist eines klar: „Der Wald entzündet sich nicht von selbst.“ So sagt es Uwe Fricke, Kreisbrandmeister im Kreis Goslar, am Telefon. Im Magazin BrandSchutz hatte er im Januar den Einsatz am Brocken präzise analysiert und zusammengefasst: „Alle drei [...] Brände brachen unmittelbar an den Gleisen (der Harzer Schmalspurbahnen; A. d. R.) aus. Über die Brandursache gibt es aber bis auf vielfältige Spekulationen bislang keine gesicherten Erkenntnisse.“

Über die Brockenbahn als Brandverursacher möchte Fricke kein Urteil, auch keine Meinung abgeben: „Es kann einfach nichts ausgeschlossen werden. Weder Funkenflug noch Unachtsamkeit, noch mutwillige Brandstiftung.“ Er betont aber: Es müssten schon eine Menge Faktoren zusammenkommen, damit beispielsweise ein Zigarettenstummel einen Waldbrand auslösen könne.

Im vergangenen Jahr war besonders die Brockenbahn in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten. Wie Hauke Roggenbuck, Oberstaatsanwalt in Halberstadt, berichtet, hätten aber alle Ermittlungen des Landeskriminalamt im vergangenen Jahr dazu ins Leere geführt: „Es gab zwei Hypothesen: glühende Stoffe durch Fahrgäste oder eben glühende Ausstöße der Bahn selbst.“ Beide hätten die Ermittler nicht bestätigen können. Die Bahn sei dazu mit einem ordnungsgemäßen Funkensieb ausgestattet.

Die Grafik aus einer kleinen Anfrage an den Landtag Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 2005 zeigt: Schon vor knapp 20 Jahren finden sich enorm viele Brandstellen entlang der Strecke der HSB.
Die Grafik aus einer kleinen Anfrage an den Landtag Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 2005 zeigt: Schon vor knapp 20 Jahren finden sich enorm viele Brandstellen entlang der Strecke der HSB. © Magazin BrandSchutz | Landtag Sachsen Anhalt

Indizien für Brandstiftung am Brocken?

Gleichwohl häufen sich die Indizien. Schon im Jahr 2005 hatte eine kleine Anfrage im Landtag von Sachsen-Anhalt ergeben, dass sich entlang der Strecke der Harzer Schmalspurbahnen (HSB) am Brocken die Brandereignisse ansammeln. Aber die Gutachten der Polizei kommen zu keinem direkten Schluss, ob die Bahn wirklich Schuld an den Feuern trägt, wie Hauke Roggenbuck bestätigt.

Brand bei Schierke im September 2022. Beide Brandherde waren praktisch an der gleichen Stelle ausgebrochen, wie schon im April 2022 und auch im Juni 2023.
Brand bei Schierke im September 2022. Beide Brandherde waren praktisch an der gleichen Stelle ausgebrochen, wie schon im April 2022 und auch im Juni 2023. © Jürgen Runo | Jürgen Runo

Wenn es um die Verteidigung der Brockenbahn geht, greift Kai-Uwe Lohse, Kreisbrandmeister des Landkreises Harz, zu noch deutlicheren Worten: „Ich verwehre mich dagegen, dass die Bahn an den Feuern Schuld sein soll! Es ist so viel untersucht worden und die Bahn selbst hat so viele Sicherheitsmaßnahmen ergriffen – die HSB trifft in meinen Augen nicht die Schuld.“ Man sollte andere Fragen stellen und Überlegungen anstellen, sagt er. Wie könne es sein, dass die Großfeuer immer an der gleichen, sehr schlecht mit Maschinen erreichbaren, Stelle ausbrächen? Immer kurz vor der letzten Kehre der Bahn am Königsweg.

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Tatsächlich lagen die Brandherde der letzten vier Großbrände nur wenige hundert Meter entfernt voneinander. Und brachen immer an Wochenenden aus. Müssten bei 140 Kilometern Strecke der Schmalspurbahnen nicht auch an anderen trockenen Stellen Brände ausbrechen? Lohse kommt in Folge solcher Überlegungen zu einer Frage: „Könnte es denn nicht möglich sein, dass da jemand seinem Groll auf die Bahn mit anderen Mitteln Ausdruck verleihen will, um sie so loszuwerden?“ Lohse sagt das frei heraus. Er hat alle vier Waldbrände am eigenen Leibe erlebt, hat viele schlaflose Nächte am Brocken verbracht. Für ihn ist Brandstiftung definitiv eine mögliche Erklärung. Beweisen kann er das freilich nicht. Aber es gäbe Indizien.

Komische Anrufe im Harz?

Lohse berichtet von merkwürdigen Anrufen, die bei der integrierten Rettungsleitstelle des Harzkreises eingegangen sein sollen. Ein Anrufer habe am Tag des Brandes am Telefon von einem Brand berichtet und sofort wieder aufgelegt. Ungewöhnlich, wie er findet. Es soll zudem am selben Tag einen ähnlichen Anruf gegeben haben. Dabei soll es um einen Brand bei Netzkater, eine Station der HSB nahe Nordhausen in Thüringen, gegangen sein.

Könnte es denn nicht möglich sein, dass da jemand seinem Groll auf die Bahn mit anderen Mitteln Ausdruck verleihen will, um sie so loszuwerden?
Kai-Uwe Lohse, Kreisbrandmeister im Landkreis Harz

Im Nachgang sind diese Anrufe nur schwer zu überprüfen, wie Christian Wenig von der Rettungsleitstelle in Halberstadt zu bedenken gibt. Außerdem wären Anrufe nach der Art „melden, sofort auflegen“ gar nicht so ungewöhnlich. Für den Tag des Brandes am Brocken kann er lediglich einen Anruf im System finden, dabei habe es sich aber um die Alarmierung der Einsatzkräfte für das Feuer gehandelt – ein Anruf nach normalem Muster. Von wem und von wo dieser Anruf getätigt wurde, kann Wenig aus Gründen des Datenschutzes nicht preisgeben. Auch eine Rückfrage bei der Feuerwehr in Harztor in Thüringen, der Gemeinde kurz vor der Station Netzkater, lässt eine Bestätigung von Lohses Vermutung nicht zu: Am Tag des Brandes habe es in Netzkater keine Brände gegeben, berichtet Ortsbrandmeister Patrick Richter. Es sei auch zu keiner Alarmierung der dortigen Feuerwehren gekommen.

Brandursache im Harz: Was bleibt am Ende übrig?

So bleiben die Fragezeichen auch zwei Wochen nach dem Waldbrand weiter über dem Harz schweben. Bei der Staatsanwaltschaft in Halberstadt seien zwischenzeitlich keine weiteren Hinweise auf Anrufe möglicher Brandstifter eingegangen, bestätigt Oberstaatsanwalt Hauke Roggenbuck: „Wir sichern alle eingehenden Anrufe bei den Leitstellen in diesem Zusammenhang. Bis dato gab es aber keine Hinweise darauf, dass sich unter den Anrufern ein Brandstifter befindet.“ Die Rettungsleitstelle bestätigt ebenso, dass alle Informationen zu ungewöhnlichen Anrufen verpflichtend an die Polizei übermittelt würden.