Von der Zelle bis zum Rollstuhl: Der junge Wissenschaftsbereich Life Sciences punktet mit Interdisziplinarität

ADRIENNE KÖMMLER


Ein moderner Begriff, viele Bedeutungen: „Life Sciences“ nennt sich ein junger Wissenschaftsbereich. Doch was steckt dahinter? „Es geht dabei um alle wissenschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Themen, die sich mit dem gesamten Spektrum von Lebensformen beschäftigen“, erklärt Bernhard Grimm, Dekan der Lebenswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin (HUB). Dieser Bereich entstand vor vier Jahren, drei Institute wurden zusammen gefasst: die Agrar- und Gartenbauwissenschaften, Biologie und Psychologie. Der naturwissenschaftliche Ansatz wird durch eine ökonomische und psychologische Perspektive ergänzt. Aber auch ein Anschluss an die Geistes- und Sozialwissenschaften besteht. Als Beispiel nennt er die Agrarökonomie, die sich mit gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Bedingungen der Lebensmittelproduktion befasst. Dahinter steckt der zunehmende Bedarf an interdisziplinärer Arbeit. Es gebe viele Berufe und Forschungsfelder, in denen Kenntnisse verschiedener Wissenschaftsbereiche gefordert seien.

Viele andere Universitäten und Hochschulen bieten Bachelor- und Masterstudiengänge in Life Sciences an. Die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) unterscheidet sich darin und bildet in einem interdisziplinären Studiengang Fachkräfte für die Praxis aus. Life Science Engineering nennt sich das Studienangebot. Es kombiniert Lebens – und Ingenieurwissenschaften. Jacqueline Franke ist Sprecherin des Studiengangs und erklärt die Besonderheit: „Wir verstehen Life Sciences als Teilgebiet der Biologie. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Prozesse in der Zelle ablaufen und wie wir dieses Wissen für die Verbesserung der Gesundheit des Menschen nutzen können.“ Der Studiengang geht dabei moderne Wege in der Lehre: Untersuchungen, die bisher im Labor erfolgten, werden zunehmend am PC simuliert. Nach dem Masterabschluss landet der größte Teil der Absolventen in biotechnologischen oder pharmazeutischen Unternehmen. Die Studiengangsprecherin hält den Masterabschluss grundsätzlich für eine „sichere Bank, an einen guten Job zu kommen“.

Das bestätigt das Medizintechnikunternehmen Ottobock. Es stellt Produkte, vor allem Prothesen und Rollstühle, her, welche die Mobilität von Menschen mit Handicap verbessern. Sven Ehrich, Leiter Forschung und Entwicklung: „Es hilft Absolventen, wenn sie im Studium bereits über den Tellerrand geguckt haben.“ Das Unternehmen brauche neben Spezialisten vor allem auch Allrounder. „Brückenbauer zwischen verschiedenen Disziplinen sind für uns besonders wertvoll.“