Immer mehr Legal Tech Start-ups drängen auf den Markt. Plattformen wie Flightright.de oder Geblitzt.de sind längst etabliert. Andere arbeiten noch daran

THERESIA BALDUS


Für Passagiere ist es ärgerlich, wenn ihr Flug extrem verspätet ist oder ganz annulliert wird. Abgesehen von der vertanen Zeit ist es schwierig, eine Entschädigung durchzusetzen. Die Rechtslage ist kompliziert, Airlines stellen sich stur. Und wer beauftragt schon einen Anwalt, wenn es um 250 Euro geht?

Aber es gibt einen Weg, zu seinem Recht zu kommen, einen einfachen, risikolosen dazu: Seit 2010 setzt das Online-Portal Flightright.de erfolgreich Entschädigungszahlungen für Flugpassagiere durch. Mit rund 100 Mitarbeitern und mehr als 100 Millionen Euro ausgezahlten Entschädigungsleistungen sind die Potsdamer zum Weltmarktführer avanciert.

Flightright.de gehört zu den Vorreitern der so genannten Legal Techs. Das sind Start-ups, die Rechtsanwaltsdienste digital anbieten. Im Vergleich zu ihren Kollegen in der Offline-Welt sind sie günstiger und einfacher zu nutzen. Ein Flightright-Kunde etwa muss nur auf die Webseite gehen, seine Flugdaten inklusive der Verspätung eingeben – zwei Minuten später spuckt der Rechner aus, ob sich ein Vorgehen gegen die Fluggesellschaft lohnt. In diesem Fall verschickt der Interessent eine Abtretungserklärung – und wartet im Idealfall lediglich ein paar Wochen, bis ihm die Entschädigung überwiesen wird. Natürlich kostet dieser Service. Flightright.de behält etwa 25 Prozent der Summe ein. Aber die verbleibenden 75 Prozent sind bedeutend mehr als nichts. Hinzu kommt, dass der Kunde nur im Erfolgsfall zahlt.

Seit geraumer Zeit drängen mehr und mehr Legal Techs auf den deutschen Markt. Mittlerweile sind es so viele, dass die alteingesessene Anwaltschaft fürchtet, über kurz oder lang ohne Job dazustehen. Laut Max Lipsky, Rechtsanwalt und Berater beim Wirtschaftsprüfer EY in Berlin, sind die Ängste nicht unbegründet: „Dass demnächst nur noch ein Drittel der Juristen einen Job haben werden, glaube ich zwar nicht. Aber es wird definitiv weniger Manpower gebraucht.“ Legal Tech sei keine Eintagsfliege. „Wir sprechen hier von sehr relevanten Technologien.“

Dabei ist Legal Tech, also der Einsatz von Technologie in der Rechtsberatung, nicht wirklich neu. IT-Technologie wird in den Kanzleien schon sehr lange eingesetzt: Spezielle Software unterstützt die Anwälte etwa beim Klienten-, Akten- oder Dokumenten-Management oder bei der Fakturierung. Dass Legal Tech seit geraumer Zeit dennoch für Heulen und Zähneklappern unter den Juristen sorgt, liegt daran, dass Legal Tech jetzt nicht mehr bloß Software zur Büroorganisation meint, die den Anwälten lediglich assistiert. Die neuen Dienste erledigen juristische Arbeits- und Kommunikationsschritte selbstständig. Ein Sachbearbeiter wird nicht mehr gebraucht. Kein Wunder, dass die Technologie als disruptiv gilt und Experten davon ausgehen, dass schon in Kürze die Hälfte der Aufgaben, die derzeit junge Anwälte erledigen, von Algorithmen übernommen werden. Das ist auch das Ergebnis einer Studie der Bucerius Law School und der Boston Consulting Group. Die modernen Technologien können mittlerweile schließlich nahezu alle Einzelschritte übernehmen, von der Sachverhaltsaufklärung über die Erstellung juristischer Dokumente wie Verträge und Klageschriften bis hin zur abschließenden Klärung eines Rechtsstreits. „Alles läuft über smart conctracts“, sagt Micha Manuel Bues. Bues betreibt den „legal-tech-blog“ und ist Gründer des Berliner Start-ups Leverton. Das Unternehmen hat sich auf intelligente Informationstransaktion aus Verträgen spezialisiert. Ihr entwickelter Algorithmus ist in der Lage, innerhalb von wenigen Minuten Hunderte Seiten lange Immobilienverträge zu scannen. In kürzester Zeit ist es somit möglich, relevante Daten wie Adresse, Größe oder Miethöhe, die Anzahl der Parteien im Haus oder die Kündigungsfristen der Mieter herauszulesen. Das Unternehmen konnte bereits namhafte internationale Unternehmen als Kunden gewinnen. Mit der Dependance in New York gelang der Sprung nach Übersee.

Zwar sollten die Erfolgsgeschichten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Szene noch am Anfang steht. „Die meisten Technologien sind noch nicht marktreif“, sagt EY-Experte Lipsky. Aber: Die Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten. Das zeigt sich unter anderem daran, dass sich mittlerweile etliche Veranstaltungen dem Thema widmen. Außerdem sind Webseiten wie Flightright.de oder Geblitzt.de längst etabliert und für viele Verbraucher nicht mehr wegzudenken. Das 2013 gegründete Unternehmen Geblitzt.de ficht falsche oder mangelhafte Bußgeldbescheide an. Wie auch Flightright.de wirbt das Geblitzt.de mit einer hohen Erfolgsquote.