Im Frühjahr 1967 veränderte ein kleiner Imbisswagen mein bisheriges aushäusiges Essenverhalten auf einschneidende Weise. Bis dato war ein Imbiss entweder der Verzehr eines Stücks warmer Rindswurst mit Mutter beim Fleischer gewesen, oder allein – und heimlich – ein Schokokussbrötchen am Kiosk.

Durch diesen Wagen änderte sich alles. Strategisch geschickt stand ein voluminöser Mann mit weißer Mütze, weißem Hemd, weißer Schürze und Pepitahose in dem blitzblanken Wagen an der Straßenbahnhaltestelle nahe der Schule, die ich im Vordertaunus besuchte. Der Mann verkaufte Pommes frites. Und sonst nichts. Die hatten wir bis dahin höchstens vom Hörensagen gekannt. Nun aber gab es Pommes bei uns.

Der Imbisswagenmann machte uns mit ein, zwei Gratis-Tütchen süchtig. Diese goldgelb in der Fritteuse gesottenen Kartoffelstäbchen waren genau das, worauf wir gewartet hatten. Kross gebacken, heiß, schön salzig, herzhaft und fett. So diametral anders als das Schokokuss-Brötchen, und erst recht als das mit Mutterliebe geschmierte Pausenbrot. Diese mit den Fingern oder einem Holzpicker zu sich genommenen, fetten Erdapfelspäne markierten den Beginn einer neuen Lebensphase. Ich konnte für 50 Pfennig „essen gehen“, mit Kumpels, und sogar Mädchen einladen.

Dass der Pommesverkäufer kurz darauf die Preise verdoppelte, Ketchup, Mayo, Bratwurst und Schaschlik ins Programm nahm, führte einerseits dazu, dass ich das kapitalistische System schlagartig verstand. Zum anderen hatten wir für die nächsten Jahre einen neuen Treffpunkt: die Pommesbude. Franz Michael Rohm