Berlin. Hollywoodfilme des vergangenen Jahrhunderts sind untrennbar mit dem Martini verbunden. Jack Lemmon wusste in dem Film „Das Appartement“ Martini zu schätzen. Als unglücklich in die Fahrstuhlführerin Fran Kubelick (Shirley MacLaine) verliebter C. C. Baxter versucht er, sein Leid in einer größeren Anzahl des Drinks zu ertränken, und reiht die Spieße mit der obligatorischen Olive kreisförmig vor sich auf.
Bis heute schwört James Bond auf den Cocktail – auch wenn der dort Wodka statt Gin enthält. Aber auch Grund genug für Sheila Scheidemann, Bar-Managerin im Hotel „Regent“ in Mitte, sich im Berlinale-Monat Februar mit dem großen Klassiker zu beschäftigen. Scheidemann hat in einem alten Buch mehr als 200 Martini-Rezepte gefunden und sich fünf davon herausgesucht. „Ich habe keines so gelassen, wie es war“, lacht sie und serviert den ersten Gang – ihre Interpretation des Klassikers, ein „Allies Martini“. Er sei „ganz klassisch, ein bisschen herber“. Sie verfeinert ihn mit „Borgmann“, einem Kräuterschnaps, und mit einem Elixier aus Bronzefenchel.
Dem Martini-Kelch entströmt ein zitroniger Duft mit leichter Olivennote und Süße. Auf der Zunge entfaltet sich ein salzig-süßer Geschmack mit einem Hauch von Fenchelbitter. Der Drink hat Tiefgang, der zweite Schluck bringt eine herbe Kopfnote, Süße im Körper und schließlich die sanfte Bitterkeit. Dazu serviert Souschef Stephan Semm einen Riegel eingelegten Schweinebauch mit einem sautierten Salat von Pak Choi, Salzalge, Oliven-Tapenade, Dressing von einer weißen Tomate und etwas Sauerampfer. Der Schweinebauch nimmt die Süße des Drinks auf. Das Gericht schmeckt leicht, hat eine schöne Salzigkeit, die Tapenade führt das Thema der Olive im Drink fort. Zusammen mit dem Schweinebauch genossen, wird der Martini milder und etwas blumig.
Der zweite Gang ist ein „Peach Martini“. „Da der Hauptgang relativ kräftig wird, wollte ich was Frisches“, sagt Scheidemann. Pfirsichpüree und eine Gurkenrolle bestimmen den Duft dieses Drinks, der im Geschmack erst süß, dann intensiv nach Pfirsich schmeckt, allerdings auch mit Säure für ein frisches, sommerliches Erlebnis sorgt. Das Gurkenaroma klingt erst im Nachhall durch. Semm serviert dazu eine Tom Kha Gung, ein typisch thailändisches Süppchen auf Garnelenbasis. Die Suppeneinlage kommt extra: eine leichte Selleriecreme, glasig gebratene Gamba, ein wenig getrocknete Tomate, ein leichter Schotensalat und etwas crunchy Kartoffel obenauf.
„Man sollte erst die Suppeneinlage essen und danach die Suppe genießen“, empfiehlt Semm. Gesagt, getan. Die Einlage überzeugt mit dem klassischen Gamba-Geschmack, grünen Aromen und feinem Salz. Die Suppe, die sich gut direkt aus dem Becher trinken lässt, startet geschmacklich mit einem feinen Kokosaroma, um sich dann zu einem intensiven, mundfüllenden Erlebnis zu entwickeln. Der Drink wirkt mit der Suppe zusammen lieblicher, die Säure tritt zurück, dafür rückt der Pfirsich um so stärker in den Vordergrund.
Im dritten Gang greift Scheidemann für ihren „Silk Martini“ auf einen „Ming River“ zurück – ein chinesischer Baijiu, ein Hirseschnaps, der Ananas-Noten mitbringt. Die Bar-Managerin kombiniert ihn mit Kokossirup und Limette. Dazu versieht sie eine Seite des Kelchglases mit einem rot eingefärbten Rauchsalzrand. „Der kommt nur auf eine Seite, damit der Gast entscheiden kann, ob er den Drink mit oder ohne Rauchsalz trinken möchte.“ Das Getränk hat es in sich. Der Duft bringt intensive Noten von Ananas, Litschi und Kokos.
Im Mund startet der Cocktail ganz langsam, gibt sich harmlos, nur um dann die erwähnten Aromen umso mächtiger zu spielen. Der Nachhall ist extrem lang, auch hier dominieren Kokos und Ananas. Wer den Mut zum Salzrand hat, wird mit einer weiteren Farbe im Gesamtbild der Aromen belohnt. Dem etwas entgegenzusetzen, ist keine leichte Aufgabe, doch Semm zeigt sich ihr gewachsen. Er serviert einen leicht pikant mit asiatischen Aromen angemachten Matjessalat, eingefasst von zwei dunklen Brotscheiben, die eine Malznote beisteuern. Gekrönt wird der Riegel von einer Petersilienwurzelcreme mit Petersilie – für die Farbe –, etwas getrockneter Ananas als Süßekick und Perlen von Finger Limes als Ausgleich. Das Gericht ist kräftig aromatisch, hält dem Drink perfekt stand, der wiederum lieblicher und sanfter wirkt.
Nach dem aromatischen Höhepunkt lässt Scheidemann die Menüfolge sanft ausklingen. Der „White Lady 2.0“ besteht aus einem fruchtigen „Brockmans“-Gin, Zitrone und Eiweiß. Sie fügt noch einen Spritzer „Chambord“ hinzu, ein französischer Beerenlikör. Gekrönt wird das Ganze von einem Himbeerstaub. In der Nase dominiert die Himbeere, im Geschmack erst Süße, dann Säure mit einem Hauch von Himbeere im Nachhall. Dazu serviert Semm Rotkohlsalat mit Shiso-Aromen, eine gebackene Ochsenpraline, Passionsfrucht, Ananas sowie Bergamotte als Gelee. Der Rotkohl ist nicht süßlich, sondern säuerlich, er nimmt damit die Himbeeraromen des Drinks auf, die Praline steuert dagegen Süße hinzu.
Schließlich das Dessert. Beim „Sweetini“ arbeitet Scheidemann mit etwas Creme de Cacao und „Frangelico“, einem Haselnusslikör. Dazu gibt es ein kleines Haselnuss-Schokomousse in Form eines Törtchens, darunter einen Crunch von der Haselnuss mit Toffee-Aromen, einen Salat von Physalis und Kumquat und einen Sud von Orange und Passionsfrucht. Der „Sweetini“ duftet nach Kakao und Haselnuss und schmeckt nach Borkenschokolade, mit einem leicht bitteren Abgang. Das Gericht verstärkt die Schokoladenaromen, die Orange steuert einen überraschend fruchtigen Touch bei und sorgt so für einen runden Abschluss.
Fünf Drinks mit Food Pairing gibt es für 49,90 Euro pro Person vom 21. bis 27. Februar um 18.30 Uhr in der Bar des „Regent Berlin“, Charlottenstraße 49, Mitte. Reservierungen unter Telefon 20 33 63 63 und nur solange die Plätze reichen. Mindestteilnehmerzahl: sechs Personen.