Berlin. Der „Weinlobbyist“ ist schon speziell: Zum einen liegt die Weinbar von Serhat Aktas in Schöneberg etwas unscheinbar an der aufgeregten Kolonnenstraße. Zum anderen lässt sich von außen kaum vermuten, welches Kleinod sich im Inneren verbirgt.
Das Morgenpost-Tasting startet mit einem klassischen Appetitanreger: einem Rieslingsekt Extra Brut vom Wein- und Sektgut Barth aus dem Rheingau. Aktas: „Einer der besten Riesling-Sektproduzenten des Landes.“ Der Sekt ist knochentrocken, aber mit Anklängen von rotem Apfel, Zitrus, Gras und viel Tiefe.
Morgenpost-Tasting: Los geht es mit einem Ceviche von der Dörrgurke
Küchenchef Ronny Marx bringt dazu Algenkaviar mit Dörrgurken-Ceviche und Süßkartoffel und erklärt: „Das ist mariniert mit viel Limette, Zwiebel und Koriander, dazu gerösteter Mais, außen herum etwas Melonensirup und Nori-Alge als Staub.“ Die Gurke schmeckt wirklich wie Ceviche, sie ist knackig, süß, salzig mit einem Hauch Schärfe in der Hinterhand. Der Sekt wird dazu fruchtiger, hebt den Koriander hervor, der Algen-Kaviar bringt Salz dazu. Der Mais knuspert herrlich, bringt seine eigenen, typischen Aromen mit. Das ist tiefgründig mit viel Säure und hohem Spaßfaktor. Der Sekt macht wieder frei und gibt der Schärfe des Gerichts noch einen Extra-Kick.
Weiter geht es mit einem Chardonnay Godramstein Kalkgestein von 2016 vom Weingut Münzberg aus der Pfalz. Der ist holzig tief in der Nase, sehr weich, rund und voll auf der Zunge, begleitet von ein paar Bitterstoffen und weißen Früchten. Dazu Melonentatar mit Artischocke und Gazpacho. Es besteht aus dehydrierter und rehydrierter Melone, einem Gazpacho-Schaum, Artischockencreme und Rucola-Pesto.
Vielfältige Aromen beim Morgenpost-Tasting im Weinlobbyist
Da ist Süße, Säure, Schärfe und Salz, das komplette Spektrum. Die Artischockencreme bringt erdige Töne, Rucola-Pesto die Knoblauchwürze. Das Pesto hallt mit dem Aroma von nativem Olivenöl nach. Frisch, fruchtig, leicht ist das, mit der Artischocke als Fundament. Der Wein bietet dazu mehr Holz, mehr Tiefe und umspielt die Säure des Gangs.
Sommerlich geht es weiter, mit einem 2021er Rosé aus Pinot Noir vom Weingut Balthasar Ress aus dem Rheingau. Auch der bietet Holz in der Nase, ist ölig auf der Zunge, ganz dicht, mit Anklängen von Himbeere und Erdbeere. Das ist Sommer im Glas, den möchte man so wegtrinken. Marx bringt dazu Möhre, Chicorée, Rosine. Dahinter verbirgt sich ein mit Sherry geschmorter Chicorée, ein Möhrensorbet, das mit Ingwer und Chili leicht scharf abgeschmeckt wurde, und eine Orangenvinaigrette.
Der Chicorée ist süß, gar nicht bitter, wie man ihn sonst häufig kennt. Das Sorbet hat ordentlich Schärfe, so ergibt sich ein äußerst facettenreiches Gesamtbild. Die Möhre meldet sich erst im Nachhall. Der Rosé präsentiert dazu viel mehr Säure, das braucht man bei der Üppigkeit aber auch.
Serhat Aktas hat seine eigene Cuvée geschaffen
Es folgt ein Riesling vom Weingut Gutzler in Rheinhessen, ein Westhofener Steingrube 2021. Dabei handelt es sich um eine erste Lage in diesem VDP-Weingut. Das Besondere des Weins: Aktas hat hier seine eigene Cuvée geschaffen: Zwei Drittel des Weins stammen aus einem Barrique-Fass und ein Drittel aus einem Edelstahltank, woher er die Frische und die Säure bezieht – eine Extraabfüllung für den „Weinlobbyist“. „Das ist immer noch ein Riesling, aber der hat Substanz, der hat Rückgrat“, sagt Aktas dazu. In der Nase wirkt der Wein erst mal ein wenig neutral, entwickelt aber auf der Zunge eine große Tiefe, da sind etwas Holz, wenig Säure, vor allem aber dunkle Noten und rote Früchte.
Ein Garnele vom größten Kaliber, das zu haben war
Aus der Küche kommt dazu Garnele / Mais / Erbse. „Das ist eine Süßwassergarnele vom größten Kaliber, das ich finden konnte“, sagt Marx. Darauf befindet sich ein Rauchpaprika-Lack, daneben gelber Rettich in Streifen, Maisschaum und Erbsenpesto. Die Garnele ist knackig, zugleich salzig und süß, dazu der Mais des cremigen Espumas, das ist wieder mal wunderbar komplex und ein intelligenter Teller wie alle des Küchenchefs, bei denen jede Komponente in ihrer Wirkung durchdacht ist. Der Rettich liefert noch Crunch, der Wein wird dazu ganz anschmiegsam, mit feiner Säure, aber wie Samt.
Kommen wir zum Abschluss dieses spannenden Tastings: Aktas schenkt einen Gewürztraminer Spätlese aus dem Jahr 2020 vom Weingut Bergdolt-Reif&Nett. „Das ist eine uralte deutsche Rebsorte“, erklärt Aktas. Es handelt sich hier um einen „restsüßen“ Wein, „aber etwas feiner“, so Aktas“, so in Richtung feinherb bis halbtrocken“. Der Wein geriert sich ebenfalls mit großer Tiefe, lässt feinen Honig erkennen, das ist ein ganz eleganter duftiger Wein.
Ananas und Olive beim Dessert des Morgenpost-Tastings im Weinlobbyist
Dazu das Dessert: Ananas / Olive / Manjari Schokolade / Rosmarin / Veilchen. Genauer: Ein Oliven-Ananas-Sorbet, darunter ein Brownie aus der Schokolade, kandierte Veilchen, Veilchensirup und Rosmarinschaum. Man kann es kaum anders sagen: ein Hammer. Die Olive ist deutlich zu spüren, dazu der süße Crunch der kandierten Veilchen, intensive Schokolade vom Brownie, abgerundet mit den mediterranen Noten des Rosmarin.
Auch dieser Gang ist sehr komplex, ohne dass das dem Spaßfaktor abträglich wäre. Der Gewürztraminer bringt hier mehr Säure ins Spiel, verliert aber keineswegs den süßen Charakter, sondern entwickelt jetzt noch holzige Noten dazu. Eine ganz große Kombination, in der alle Bestandteile ein stimmiges Ganzes ergeben. und ein spannender Abschluss für ein intelligent zusammengestelltes Tasting im „Weinlobbyist“.
So können Sie das Morgenpost-Tasting reservieren
Fünf Weine inklusive Foodpairing gibt es für 49,90 Euro pro Person am 13./14. und 16. bis 24. Juli täglich (Di/Mi exkl. für Morgenpost-Leser) um 18 Uhr im „Weinlobbyist“, Kolonnenstraße 62, 10827 Berlin. Reservierung unter Tel. 30 64 07 72 (Do-Mo, 12-17 Uhr) oder Mail: berlinermorgenpost@weinlobbyist.de (bevorzugt) nur so lange die Plätze reichen.