Gastronomie-Legende

Ente gut – alles gut: Hans-Peter Wodarz wird 75 Jahre alt

| Lesedauer: 7 Minuten
Franz, Michael Rohm
Hans-Peter Wodarz, hier in der Paris Bar in Charlottenburg, wird am 28. März 75 Jahre alt

Hans-Peter Wodarz, hier in der Paris Bar in Charlottenburg, wird am 28. März 75 Jahre alt

Foto: Franz Michael Rohm

Hans-Peter Wodarz ist ehemaliger Sternekoch und Grandseigneur der Erlebnisgastronomie. Angefangen hat er als Hotelpage.

Wie stets geschmackvoll und edel gekleidet, mit Einstecktuch, empfängt Hans-Peter Wodarz in der Paris Bar zum Lunch. „An diesem Tisch aß immer Gerhard Schröder“, berichtet Wodarz. Prominente pflastern seinen Weg, Tausende hat er in seiner über 50-jährigen Karriere bekocht, von Gunter Sachs, Andy Warhol, Helmut Newton, Bianca Jagger bis zu den drei US-Präsidenten Richard Nixon, Bill Clinton und Donald Trump. Er hat Unterhaltung und Speisen zusammengebracht, zuletzt mit „Palazzo“, zusammen mit seinem gastronomischen Partner Kolja Kleeberg. Anfang März endete die Saison im Spiegelzelt am Zoologischen Garten, „fast immer ausverkauft, Wahnsinn“, sagt Wodarz.

Wie lautet seine Bilanz mit 75? „Es war ein Auf und Ab. Zum Glück mehr Auf als Ab“, resümiert der gebürtige Wiesbadener, der auf eine unglaubliche Vita zurückblickt. Als Kind erlebte er bittere Armut. Mit zwei Schwestern war die Mutter nach dem Krieg aus Breslau nach Hessen geflüchtet. Der Vater kam mit Tuberkulose aus russischer Kriegsgefangenschaft, trauerte um den verlorenen Krieg. Die Mutter nähte Krawatten in Heimarbeit, sie fing mit Brotkrumen Tauben am Mansardenfenster. Sohn Hans-Peter trug als Sechsjähriger Brötchen aus. „Manchmal gab es einen Groschen Trinkgeld, vor allem aber Brot vom Vortag umsonst“, erinnert er sich.

Mit 14 Jahren vermittelte seine Lehrerin ihm eine Lehre im damals besten Hotel von Wiesbaden, Hotel Rose. Das erste Jahr bemühte sich Wodarz als Hotelpage in grüner Uniform mit goldfarbenen Knöpfen um amerikanische Gäste: „Mein erstes Trinkgeld waren 20 Dollar. Damit war ich unfassbar reich.“ Nach einem Jahr musste er sich entscheiden: Koch oder Kellner. Er wollte Kellner lernen, aber die Mutter befahl: Du wirst Koch, da hast du immer was zu essen.

Hans-Peter Wodarz: Ein Beatle brachte ihm bei, was Vegetarismus ist

Ganz falsch hatte Mutter Wodarz da nicht gelegen. 1965 erhielt der Sohn vom hessischen Ministerpräsidenten Zinn eine Urkunde als bester Jungkoch in Hessen. Sein erster und keinesfalls letzter Kontakt mit politischer Prominenz. Etwas holprig nahm die Karriere Fahrt auf: Sein Wunsch, in Liverpool zu arbeiten, um in der Nähe seiner Lieblingsband The Beatles zu sein, schlug fehl. Elf Jahre später kam Ex-Beatle George Harrison in sein erstes Lokal und sagte „Sorry, I’m vegetarian.“ „Hatte ich vorher nie gehört“, gesteht Wodarz.

Von England ging es nach München, die Olympischen Spiele 1972 standen vor der Tür, er wurde Leiter der Party-Service-Abteilung bei Hertie am Münchener Stachus. In diesem Zusammenhang war er 1971 in West-Berlin, in der Feinschmeckeretage des KaDeWe: „Eine Entdeckung. Da habe ich zum ersten mal exotisches Obst wie Guaven und Kiwi gegessen, frische Mittelmeerfische und Jakosbmuscheln gesehen.“

Als er den Bericht über den ersten Michelin-Stern für Eckart Witzigmann im Münchner Restaurant Tantris liest, geht er sofort dort essen. „Eine Offenbarung, so etwas hatte ich noch nie gegessen. Die kochten mit einer Brigade von 20 Köchen. Als Witzigmann an den Tisch kam, sagte ich, dass ich bei ihm arbeiten wolle. Er antwortete, das ginge, aber nur für ein Drittel meines Gehaltes bei Hertie. Ich habe trotzdem zugesagt.“

Wodarz lernte bei Bocuse, Ducasse und Chapel

Zwei Jahre später und nach Besuchen bei den besten französischen Köchen wie Bocuse, Haeberlin, Ducasse und Chapel machte er sich selbstständig. Er mietete ein kleines Lokal im Münchner Arbeiterbezirk Lehel an. Nur einen Namen hatte er noch nicht. Als er mit seiner Freundin an der nahe gelegenen Isar entlang ging, war er angetan von einem Entenschwarm, der mit vorgestreckten Füßen wasserte. „Ich wollte das Lokal ‚Le Canard‘ nennen. Meine Freundin meinte: „Französisch, hier im Lehel? Vergiss es.“ Also nannte ich es ‚Die Ente von Lehel‘.“

Star-Gesellschaftskolumnist Michael Graeter schrieb über die Eröffnung, am zweiten Tag kam Gunter Sachs, danach brauchte man eine Reservierung, um einen Platz zu erhalten. Der erste Michelin-Stern ließ nicht lange auf sich warten. Für die nächsten Jahre ging es steil bergauf.

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Was ihn störte: Die Gäste in seinem Restaurant saßen am Tisch wie Grabwächter. Irgendwann langte es Wodarz, und er fragte beim Intendanten der nahe gelegenen Oper an, ob nicht zwei, drei Sängerinnen oder Sänger für Unterhaltung sorgen könnten: „Das Schweigen der Schlemmer war vorüber“. Diese Idee machte ihn mit einem Schlag berühmt. „Im Grunde ein uraltes Konzept, gab es schon bei den Römern – Brot und Spiele“, sagt Wodarz.

Wenig später lockte einer der wichtigsten Hotel-Manager weltweit, Gianni van Daalen, Wodarz mit Millionenbudget nach Wiesbaden in das Hotel Nassauer Hof, das komplett umgebaut und modernisiert wurde. „Allein der Weinkeller“, seufzt Wodarz, „war ein Vermögen wert“. Wodarz konnte nun sein Spitzenrestaurant „Die Ente vom Lehel“ machen, sein Delikatessengeschäft mit Bistro und den Entenkeller.

Vom Restaurant zur Erlebnisgastronomie

Er sagt, er sei der erste gewesen, der einen Sommelier in Deutschland beschäftigte, und der erste, der Cloches, metallene Servierglocken, benutzte, mit Entenfigur als Griff.

Wodarz’ Kreativität führte ihn schließlich weg vom Restaurant hin zur Erlebnisgastronomie. Bei einem Besuch seines Freundes Bernhard Paul vom Zirkus Roncalli 1988 hatte er im Winterquartier ein verstaubtes Spiegelzelt entdeckt. Nach großen Publikumszuspruch zog er mit dem frechen, akrobatisch-erotischen Erlebnisgastro-Event zu den Olympischen Spielen nach Barcelona. 1994 ging es für Wodarz in das noch nicht lange wiedervereinte Berlin. Mit seiner neuen Show „Pomp Duck and Circumstance“ gastierte er auf einer Brache an der Klingelhöferstraße. Wodarz wollte sein Konzept in die USA exportieren und scheiterte krachend mit Millionenverlusten. Zurück in Berlin war er mit „Hooters“ in Tiergarten, „Berlin Moscow“ Unter den Linden und der Erotik-Show „Belle et Fou“ am Potsdamer Platz nicht erfolgreich.

Aber Wodarz ist nicht nur ein Kämpfer, sondern zählt zu den kreativsten Köpfen der Szene. Die Idee vom Restauranttheater im Spiegelzelt, grandiose Akrobatik gepaart mit einem 4-Gang-Menü, ist seit 33 Jahren erfolgreich. Bis auf ein Jahr gab es jedes Jahr Ente als Hauptgang. „Die Ente hat mir Glück gebracht“, sagt Hans-Peter Wodarz.

Ob es noch einmal eine „Ente von der Spree“ gibt? „Vielleicht“, sagt Wodarz, der gerne mehr Zeit mit seiner Frau Tatjana und seiner elfjährige Tochter Sofia-Elisabeth verbringen will. Zur Zeit organisiert er zwei Benefiz-Veranstaltungen in Berlin für Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien.