„Wie lieb und luftig perlt die Blase der Witwe Klicko in dem Glase.“ So heißt es in der „Frommen Helene“ von Wilhelm Busch unter Bezug auf die Champagnermarke Veuve Clicquot. Zu besonderen Anlässen muss es also Champagner sein? Nico Böttcher, Sommelier im „Hotel am Steinplatz“, und Restaurantleiter Steve Pietschmann können da nur den Kopf schütteln. Sie haben alle Champagner von der Karte verbannt und setzen unter dem Motto „Macht Sekt wieder groß“ voll auf deutschen Sekt. „Die Winzerjugend in Deutschland setzt auf Qualität statt Quantität“, sagt Pietschmann, „wir haben ihr viel zu verdanken.“ Diesen Trend hat man am Steinplatz erkannt und den Kampf gegen Voreingenommenheit und Unwissen aufgenommen. „Viele wissen deutschen Sekt nicht zu greifen“, so Pietschmann. Allein das Wort „Sekt“ gelte als unsexy.
13 verschiedene Sektsorten bietet das „Restaurant am Steinplatz“ seinen Gästen an, plus Sonderposten für Menüs oder Veranstaltungen. 20 Positionen sind immer vorrätig. Inzwischen begleite man ganze Menüs nur mit Sekt. „Sekt hat wahnsinnig viel zu bieten“, so Böttcher, es gebe „viele Trauben, viel Auswahl“. Und es stecke eben noch Handwerk drin, was bei den „Basis-Champagnern“, so nennt er die gängigen Marken, nicht mehr möglich sei.
Bei gleicher Qualität deutlich günstiger als Champagner
Der Preis spiele in Deutschland nach wie vor eine Rolle. Die Deutschen geben europaweit am wenigsten für Essen aus, berichten die beiden, im Supermarkt würden im Durchschnitt gerade einmal drei Euro für einen Wein ausgegeben. Dabei müsse man für gute Qualität nicht einmal viel anlegen. Im Club zahle man 9 Euro für einen Wodka und 1,50 Euro für den Red Bull. Dafür bekomme man schon eine Flasche anständigen Sekts.
Pietschmann und Böttcher empfehlen mehrere Sorten, die man einmal probieren sollte, zwei für Einsteiger, drei für Fortgeschrittene und zwei für Gourmets. Zu den Einsteigersekten gehört der Vaux Sauvignon Blanc aus Eltville im Rheingau, die Flasche zu 10 Euro. Der Sekt ist fruchtig-frisch, leicht und sei an lauen Sommernächten sehr beliebt, verraten die Experten.
Auch die Pinot Cuvée 2012 Extra Brut vom Weingut Stein bietet für einen ähnlichen Preis ein absolut überzeugendes Geschmacksbild, das mit Massenchampagner nichts mehr zu tun hat. „Würde man das Prinzip handwerklicher Qualität mit geringen Mengen auf Champagner übertragen, müsste eine Flasche mindestens 80 Euro kosten“, so Pietschmann.
„Die gewinnt ständig Blindverkostungen gegen Champagner“
In der „Mittelklasse“ präsentieren Pietschmann und Böttcher eine Cuvée Katharina von Raumland aus Rheinhessen. „Die gewinnt ständig Blindverkostungen gegen Champagner“, sagt Böttcher. Die Cuvée ist komplex, sehr trocken und spannend am Gaumen, vielleicht aber nicht für jemanden geeignet, der eher eine fruchtige Komponente bevorzugt.
Ähnlich der „Zero“ Brut von der Sektmanufaktur Strauch, dem keine „Dosage“ verabreicht wurde – der Fachbegriff aus der Champagnerherstellung für Zuckerzusatz. „Zucker schönt“, sagt Böttcher schlicht. Was dieser Sekt nicht nötig hat, keine Zusätze, er steht für sich, ist aber auch sehr trocken. Ganz anders der Pinot Meunier von Friedrich Becker. Der 2007er Jahrgang ist intensiv und frisch am Gaumen. Alle drei Sektsorten kosten pro Flasche rund 20 Euro.
45-Euro-Sekt hält mit 160-Euro-Champagner mit
Es folgt die Oberklasse. Böttcher lässt einen Riesling Brut 2011 VdP Große Lage von Barth Hassel servieren. Und man muss sagen: Es eröffnen sich völlig neue Welten. Der Sekt ist intensiv, komplex, mit langem Nachhall und tiefgründig – völlig anders als alles, was die Zunge gewohnt ist. Die Flasche liegt dann preislich allerdings auch schon bei 65 Euro. Das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet aber wohl der Riesling von Peter Lauer.ayl von der Saar aus dem Jahr 1988.
Der Sekt lag tatsächlich bis zum Jahr 2017 auf der Hefe und wurde erst dann „degorgiert“, also von dem Hefepfropfen befreit. Der Wein bietet ein unglaublich komplexes Geschmackserlebnis, man schmeckt sein Alter und die Hefe, und trotzdem hat er sich Jugendlichkeit bewahrt, mit frischen Noten und einem Nachhall, der Geschichten erzählt. Geschmacklich steht er einem Krug kaum in etwas nach. Während der Champagner jedoch rund 160 Euro pro Flasche kostet, sind es beim Sekt gerade einmal rund 45 Euro, der Preis für einen „Basis-Champagner“.
Darauf muss man beim Sektkauf achten
Ein Hinderungsgrund für viele, einen guten Sekt zu kaufen, sei vor allem das Unwissen. „Viele fragen nach Basics“, sagt Böttcher. „Es ist auch unsere Aufgabe, zu zeigen und zu vermitteln“, ergänzt Pietschmann. Woran erkennt der Kunde dann aber einen anständigen Sekt, der sich aus der Masse abhebt? Böttcher nennt mehrere Kriterien, auf die man bei der Auswahl achten sollte und die auf der Flasche angegeben sind. Dazu zählen: handverlesen, traditionelle Flaschengärung, Angabe der Herkunft, Jahrgang, Jahr der Degorgierung, Dauer des Hefelagers, Angabe des Produzenten, Große Lage, handgerüttelt.
Wer das Sektangebot im „Restaurant am Steinplatz“ einmal kennenlernen möchte, hat dazu am 26. August die Gelegenheit. Ab 16 Uhr laden Pietschmann und Böttcher zur Verkostung mit sommerlichem BBQ. Tickets gibt es für 40 Euro unter Eventbrite.de. „Wir kehren wieder zum Ursprung zurück. Vom Handwerk zur Industrie und wieder zum Handwerk“, sagt der Sommelier. „Beim deutschen Sekt ist es noch nicht zu spät.“