Berlin. Der finnische Ex-Sternekoch Sauli Kemppainen und sein Maître Vedad Hadziabdic bieten am Kurfürstendamm bezahlbares Essvergnügen.

Fantastisch mild und zugleich mit feinen Salznuancen dezent gebeizter norwegischer Wildlachs mit Rogen, Gazpachopüree mit Birkenwasser-Kerbeljus und einem Stückchen Lachshaut am Spieß: So setzt Sauli Kemppainen seine Philosophie von besten Produkten, exakter Zubereitung und verwegenen Aromenkompositionen am Kurfürstendamm in Szene. Dazu serviert Vedad Hadziabdic im Riedel-Wellenschliff-Kristallglas einen sommerlich-frischen Lugana von Bulgarini aus der Lombardei. Rund 160 Positionen hat er auf der Weinkarte, Preiswertes und Jahrgangs-Spitzenweine. Im „Savu“ wollen die beiden „bezahlbares Essvergnügen bieten, wer mag und kann, wertet es mit der Weinauswahl auf“, so Hadziabdic.

Zwölf Jahre lang prägte Holger Zurbrüggen in diesem Lokal im Hotel „Louisa’s Place“ die Gastronomie am mittleren Kudamm, bevor er Ende 2017 den Standort aufgab und seitdem nur noch im Nikolaiviertel kocht. Seit Mitte April bespielen nun der finnische Ex-Sternekoch und sein bosnischer Maître die Räumlichkeiten. Beide kennen sich aus dem „Quadriga“ im Hotel „Brandenburger Hof“.

Lachs, Rogen, Gazpachopüree, Birkenwasser-Kerbeljus, Lachshaut
Lachs, Rogen, Gazpachopüree, Birkenwasser-Kerbeljus, Lachshaut © Franz Michael Rohm | Franz Michael Rohm

Bei den Speisen setzt Kemppainen mit seiner fünfköpfigen Brigade auf dezent dosierte Überraschungs­effekte. So raspelt er getrocknetes Rentierherz über butterzarte Fetzchen von Rentierroastbeef, Pastina­ken­­spalten mit Zitronenthymiankresse, umflossen von tiefwaldigem, kiefern- und tannensprossen-aroma­tisiertem Jus. Das schmeckt nicht unbedingt intensiv, aber immerhin, so versichert der muskulöse, glatzköpfige Chef: „In Finnland heißt es, erst wenn du Rentierherz gegessen hast, bist du ein Mann. Gratuliere!“ Zur bodenständigen Herzhaftigkeit des Gerichts empfiehlt Vedad Hadziabdic einen charaktervollen 2016er Lagone vom toskanischen Weingut Aia Vecchia, eine Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, San Giovese und Merlot.

Vier Jahre verteidigte Kemppainen im „Quadriga“ mit seiner Version der Neuen Skandinavischen Küche den Michelin-Stern, unterstützt von Hadziabdic. Der ging 2013 zum neu eröffneten „Les Solistes“ im Waldorf Astoria. Weder „Quadriga“ noch „Les Solistes“ gibt es noch. Kemppainen kehrte zurück nach Helsinki, von dort ging es nach Moskau. Highend-Gas­tronomie, „aber letztlich nicht mein Ding“, so Kemppainen. Die gleiche Erfahrung machte Hadziabdic im Vorstandscasino eines Pharmakonzerns in Basel.

Berlin übte nach wie vor Anziehungskraft aus, die beiden telefonierten und stellten fest: wenn Neustart, dann hier. Nach langen Diskussionen stand das Konzept für das „Savu“. Der Name steht im Finnischen für Rauch, aber auch für Wärme und Behaglichkeit. Diese Stimmung nehmen die Gäste beim Betreten des 60 Sitzplätze zählenden Lokals auf, das mit viel Eichenholz, finnischem Moos, Birkenrinden und sehr bequemen schwarzen Lederstühlen nordisches Understatement ausstrahlt – funktional, puristisch, locker.

So geht es auch auf den Tischen weiter, angefangen bei den bereits erwähnten Gläsern. „Wir haben die derzeit als Einzige in der Stadt“, rühmt sich Hadziabdic. Als Nächstes zieht das Geschirr die Blicke auf sich, zum Start quadratische Schalen im Birkenrindenlook. Das Porzellan hat sich Kemppainen selbst ausgedacht. Monatelang habe er mit den Designern der finnischen Manufaktur Pentik entworfen, verworfen, final entschieden. Kemppainen will Gastronomie aus einem Guss, seinem Guss, und so kommt für jeden Gang neues, kunstvolles Essgeschirr, aschefarben zum Lachs, eine kirschrote Schale zur fulminanten Hummersuppe mit einem Tick Vanille, meerblaues zu den Fleischgängen.

Kleiner Kritikpunkt beim Besuch war das Dessert. Vielleicht mögen Touristen Schokoladenparfait als besprühtes Mauersegment, für Einheimische wirkt das kitschig. Das war der einzige Ausreißer, alles andere überzeugte durch meisterliche Handwerklichkeit und kenntnisreiche Weinbegleitung, zu für diese Qualität moderaten Preisen.

Der spanische und italienische Einschlag der Karte übrigens wurde inspiriert von Stationen Kemppainens in diesen Ländern. In den Gerichten schlägt er sich nieder im Risotto mit Trüffeln und altem Parmesan. Zum Poltinger Lamm gibt es Pimientos del Piquillo aus Navarra, über Holzkohle gegrillte rote Paprika. Fazit: Mit dieser Küche ist das „Savu“ Anwärter für einen Michelin-Stern.

„Savu“, Kurfürstendamm 160, Charlottenburg, Tel. 88 47 57 88, Mo.–Sbd. 18–23 Uhr, www.savu.berlin