BER

Vier Stunden eher da sein: Lufthansa nimmt Empfehlung zurück

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Am Flughafen BER stauten sich zum Ferienbeginn die Passagiere.

Am Flughafen BER stauten sich zum Ferienbeginn die Passagiere.

Foto: dpa

Die Fluggesellschaft Lufthansa empfahl den Reisenden, vier Stunden vor Abflug am BER zu sein - nun wurde die Aussage korrigiert.

Berlin. Nachdem die Lufthansa am Montag Reisenden empfohlen hat, vier Stunden vor Abflug am Flughafen BER zu sein, ist die Fluggesellschaft einen Tag später zurückgerudert. Am Dienstag hieß es nun: „Die pauschale Bitte an unsere Fluggäste, vier Stunden vor Abflug vom BER zum Flughafen zu kommen, wird nicht mehr versendet“, so Sandra Courant, Pressesprecherin der Lufthansa Group. Die Reisenden sollten stattdessen „frühzeitig zum BER anreisen, insbesondere bei Abflügen am Vormittag, da in dieser Zeit das Passagieraufkommen besonders hoch ist.“ Was mit „frühzeitig“ gemeint ist, bleibt weiterhin unklar.

Die Fluggesellschaft reagierte auf das Chaos vom Wochenende, als Tausende stundenlang beim Check-in warten mussten und viele Berliner ihren Urlaubsflug verpassten. Bisher hatte der Flughafen angegeben, dass Passagiere mindestens zwei Stunden vor Abflug am BER eintreffen sollten.

Am Montag hatte ein Kunde eine E-Mail von Lufthansa für einen Flug von Berlin nach Frankfurt erhalten. Darin hieß es: „Aufgrund des erhöhten Passagieraufkommens zum Ferienbeginn kann es zu längeren Wartezeiten an den Check-in-Schaltern und an den Sicherheitskontrollen am Flughafen Berlin kommen. Aus diesem Grunde möchten wir sie bitten, mindestens 240 Minuten vor Abflug am Flughafen einzutreffen.“ Zum Vergleich: Mit dem ICE-Sprinter braucht man von Berlin nach Frankfurt mit der zurzeit schnellsten Verbindung 3,52 Stunden.

Flughafen BER: Gegenseitige Schuldzuweisungen wegen Chaos

Zu Beginn der Herbstferien in Berlin und Brandenburg reisten allein am Freitag nach Angaben eines Flughafensprechers erstmals in der Pandemie wieder rund 67.000 Passagiere über den BER. Am Sonnabend waren es demnach 55.000 und am Sonntag 66.000. Vom Vorkrisen-Niveau sind solche Zahlen noch weit entfernt. Für den Flughafen waren es in dieser Phase dennoch schon zu viele.

Die Schuld dafür suchten alle Beteiligten am Montag beim jeweils anderen. So wies die Lufthansa auf fehlende Abfertigungskapazitäten hin. Die Fluggesellschaft habe beim Check-in die maximal mögliche Zahl von zwölf Schaltern geöffnet und zusätzliches Personal im Wartebereich eingesetzt, erklärt eine Unternehmenssprecherin. Derzeit ist der Check-in besonders aufwendig, weil aufgrund der Pandemie die meisten Reisenden dort Corona-Tests oder Impfnachweise vorlegen müssen, um ihre Reise antreten zu können.

Die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg schob die Probleme am Wochenende deshalb vor allem auf Personalengpässe an den Schaltern, die am BER von den Fluggesellschaften besetzt werden. Vor allem wegen Krankmeldungen habe die Personaldecke dort „unter den Planungen“ gelegen.

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BER: Aus Kostengründen nur ein Terminal geöffnet

Auch bei den Bodenverkehrsdienstleistern fehlte es aufgrund von Krankheit demnach an Personal. Am BER ist derzeit aus Kostengründen nur eines von drei Passagierterminals geöffnet: das Hauptterminal T1. Nach wie vor gehen die Verantwortlichen aber davon aus, dass die Kapazitäten dort ausreichen, solange die Personaldecke nicht zu dünn wird. Eine kurzfristige Öffnung des im vergangenen Jahr fertiggestellten Terminals T2 sei derzeit nicht geplant.

Tatsächlich ist es vor allem der Personalmangel, der die gesamte Luftfahrtbranche in Deutschland vor Herausforderungen stellt. „Durch Kurzarbeitszeitregelungen an den Flughafenstandorten wegen des mehrmaligen Lockdowns haben viele Beschäftigte das Arbeitsverhältnis gelöst oder stehen durch ausgelaufene Verträge nicht mehr zur Verfügung“, stellt der Flughafenverband ADV fest. „Neueinstellungen für Unternehmen mit Kurzarbeit sind zumeist nicht möglich.“ Zu angespannt sei die wirtschaftliche Lage der Unternehmen.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sieht ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. „Wir haben beim Neustart in allen Bereichen zu wenig Leute“, sagt Verdi-Luftfahrtexpertin Mira Neumaier. Sie hatte schon zum Sommerbeginn gewarnt: Während der Krise hätten 16 Prozent der Luftverkehrsbeschäftigten die Branche dauerhaft verlassen. Bei den Bodenverkehrsdiensten mit ihren harten und gering bezahlten Jobs sei es sogar fast die Hälfte gewesen.

Berlins CDU-Chef fordert Sofort-Investitionen am BER

„Das BER-Chaos hat tausenden Berlinern am Wochenende den Ferienstart vermiest", erklärte Kai Wegner, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. "So etwas kann und darf sich nicht wiederholen. Wir brauchen jetzt ein Sofortprogramm für Investitionen in Technik und Personal für effektivere Abläufe." Ziel müsse sein, dass der Flughafen diesen Belastungen künftig gewachsen ist. Dazu braucht es deutlich mehr Check-in-Kapazitäten, vor allem mehr Mitarbeiter für die Sicherheits- und sonstigen Überprüfungen, wie sie jetzt bei Schutznachweisen gegen Corona erforderlich sind. "Wie wir hatten auch viele Flughafenexperten über Jahre vor solchen ärgerlichen und peinlichen Engpässen immer wieder gewarnt", so Wegner. "Doch Senat und die rot-rot-grüne Koalition wollten das nicht hören." Dringende Verbesserungen müssten jetzt auch in den Sondierungen auf den Tisch kommen.

( dpa/rothe/jp )