Berlins Grüne legen ihren Abschlussbericht zum BER-Untersuchungsausschuss vor - und kritisieren die Geheimhaltungspolitik des Senats.

Nach 62 Sitzungen, 330 Stunden Debatte und 1650 Akten haben sich die Grünen ein Urteil gebildet. Schuld am Debakel um den immer noch nicht eröffneten Flughafen BER hat vor allem einer: Berlins ehemaliger Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Die grünen BER-Aufklärer haben am Mittwoch rund zehn Tage vor der Schlussabstimmung im BER-Untersuchungsausschuss ihre Version der Dinge veröffentlicht. Was Andreas Otto und Harald Moritz begleitet von der Fraktionsvorsitzenden Ramona Pop darlegten, zielt stark darauf, dem langjährigen Aufsichtsratsvorsitzenden die Hauptverantwortung zuzuweisen.

Ramona Pop sprach von Selbstüberschätzung. Nachdem auf Druck Wowereits der Generalunternehmer Hochtief wegen angeblich zu hoher Preisforderungen in die Wüste geschickt worden war, baute Berlin allein. Aber weder die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) mit ihren Geschäftsführern Rainer Schwarz und Manfred Körtgen, noch der im Wesentlichen mit Politikern besetzte Aufsichtsrat hatten jemals einen Flughafen errichtet. Nie habe Wowereit die eigene Senatsbauverwaltung um Hilfe gebeten.

Die FBB habe niemals kompetent die Funktion eines Bauherren einnehmen können, sagte Otto: „Ich habe niemanden gehört, der gesagt hätte, ich habe den Überblick über das Baugeschehen“, beschrieb der Bauexperte der Fraktionen seinen Eindruck nach den Aussagen von 70 Zeugen, die der Ausschuss seit 2012 gehört hat.

Gesellschafterrolle nahmen untergeordnete Beamte wahr

Aufsichtsratschef Wowereit und die anderen Gesellschafter hätten darauf drängen sollen, die Flughafengesellschaft mit den für ein solches Milliardenprojekt nötigen Ressourcen und Know-how auszustatten. Anstatt sich im Aufsichtsrat ohne nötige fachliche Unterstützung mit Details zu befassen, von denen sie wenig verstanden, hätten die Politiker lieber in der Gesellschafterversammlung die großen Linien festlegen und kontrollieren sollen.

Stattdessen saßen und sitzen bis heute in dem formal höchsten Entscheidungsgremium des Berlin, Brandenburg und dem Bund gehörenden Unternehmens Mitarbeiter aus der „vierten oder fünften Reihe“. Es liege auf der Hand, dass diese nicht das Agieren ihrer Vorgesetzten im Aufsichtsrat kritisieren oder korrigieren konnten, sagte Otto.

Zweiter wesentlicher Grund für das Scheitern der Baustelle und die bis heute unendliche BER-Geschichte nach der Absage der Eröffnungsparty im Mai 2012: die vielen Umplanungen, so die Grünen. Fraktionschefin Pop nannte den Auftrag, eine eigene Fluggastbrücke für den Riesenjet A 380 zu schaffen, als Kardinalfehler. „Das geht allein auf Prestigewünsche zurück“, sagte Pop.

Diese und viele weitere Änderungen hätten dazu geführt, dass Gebäudetechnik und Brandschutzanlage nicht mehr funktionierten. Ohnehin habe man am BER einen „Experimentalbau“ hochgezogen, so Otto: „Niemand hat auf erprobte Lösungen gepocht.“

Dass die Grünen vorpreschten und ihr Fazit schon vor der letzten Ausschusssitzung am 3. Juni zogen, begründeten sie mit dem engen Zeitplan. Wie auch die Linken und die Piraten gehen sie davon aus, dass in dem von SPD und CDU gebilligten Papier „viele Dinge nicht drinstehen“. Würde man warten, bis der Bericht verabschiedet wird, hätte man zu wenig Zeit für das eigene Sondervotum.

Belege für Behauptungen im Bericht sollen geheim bleiben

Das bestätigte auch die BER-Expertin der Linken, Jutta Matuschek. Die Koalition habe sehr häufig Formulierungen wie „Verantwortungsvakuum“ oder „geteilte Verantwortung“ verwendet, während die Linke Namen nennen wollte. Von 300 Änderungsanträgen der Linken hätten SPD und CDU aber nur ein paar wenige aufgenommen.

SPD und CDU versuchten, ihre Spitzenpolitiker aus der Schusslinie zu halten, so der Eindruck der Grünen. Als Beispiel nannte Otto den Versuch, den inzwischen als Fehler geltenden Rauswurf des Generalplaners 2012 als eine Entscheidung der Geschäftsführung darzustellen, wo das doch in Wahrheit der Aufsichtsrat verfügt habe.

Was überhaupt über die Geschichte der BER-Pleite öffentlich dargestellt werden darf, ist umstritten. In die jeweiligen Schlussberichte dürfen die Kontrolleure zwar ihre Schlussfolgerungen aufschreiben. Die Dokumente und Quellen, die diese untermauern, sind jedoch weiter vertraulich. Die Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters und heutigem BER-Aufsichtsratschefs Michael Müller pocht darauf, auch alte Aufsichtsratsprotokolle nicht freizugeben. An diesem Punkt ist auch die CDU aufseiten der Kritiker: „Man könnte das alles transparenter machen“, so CDU-Obmann Stefan Evers.