Krebs mitten in der Pubertät – düsteres Musiktheater
„Ficken deine Fische eigentlich manchmal?“, fragt Nina Jan, während die beiden selbst auf ihr erstes Mal zusteuern. Alles könnte so einfach sein, denn die Jugendlichen lieben einander. Doch vor allem für Jan ist gar nichts einfach. Er trägt das HI-Virus in sich – und kann es Nina einfach nicht sagen.
Almut Gettos hochgelobter Spielfilm „Fickende Fische“ (2002) eröffnete vor 14 Jahren eine Reihe von Romanen und darauf basierenden Verfilmungen, die schwerkranke Jugendliche und ihren Blick auf das Leben zu Protagonisten erhoben. Es folgten Anthony McCartens „Superhero“, Albert Espinosas „Club der roten Bänder“ und schließlich John Greens „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“. Die Theatergruppe glanz&krawall ließ sich inspirieren und bringt das Thema nun auf die Opernbühne.
„Chemo Brother“ verhandelt eine Ménage à trois: Jannek und Frida sind glücklich, bis Jannek für einen Austausch nach Spanien geht. In dieser Zeit kommen sich sein Bruder Luca und Frida näher, werden schließlich ein Paar. Als Jannek zurückkehrt, ist nicht nur seine Freundin weg, bei ihm wird auch noch Krebs diagnostiziert. Luca steht nun doppelt unter Druck: Einerseits plant er sein eigenes Leben und will mit Frida das erste Mal erleben. Gleichzeitig ist da sein schwerkranker Bruder, dem er zur Seite stehen möchte, der im Krankenhaus liegt und dem es immer schlechter geht.
Bereits 2014 probierte die Theatergruppe glanz&krawall das Stück in der Tischlerei der Deutschen Oper Berlin. „Wir fragten uns damals: Funktioniert der Stoff, fühlen sich die Jugendlichen mitgenommen oder sagt ihnen das gar nichts“, erläutert die Regisseurin und Leiterin Marielle Sterra. Das Feedback war eindeutig, die 14-jährigen „Testgucker“ zeigten sich enorm diskussionsfreudig. Vor allem der moralische Aspekt interessierte sie: Einige forderten ungebremste Loyalität von Luca, andere gaben zu bedenken, dass er sein eigenes Leben fokussieren müsse. Mit diesem moralischen Dilemma als Schwerpunkt kehrt der Versuch nun als fertig entwickeltes Werk auf die Bühne zurück.
„Der Text von Mehdi Moradpour lag damals schon vor. Musikalisch war das Try-Out aber reduziert“, führt Marielle Sterra aus. Der junge griechische Komponist Eleftherios Veniadis hat das Werk, zusammen mit dem Elektro-Musiker Arne Nitzsche, für Klavier, Percussion und elektronische Musik aufbereitet. „Die Musik fügt dem Werk eine emotionale Ebene hinzu, die nicht im Text enthalten ist, die sowohl die Ängste der Protagonisten widerspiegelt, als auch ihre Hoffnung und Sehnsüchte.“ Zudem holt sie die Jugendlichen aus ihrer Realität ab und führt sie in die Bühnenwelt.
Am Ende bricht die Handlung ohne Auflösung ab. „Ich glaube, es bringt nichts, die Entscheidung mit sich auszumachen, mit dem eigenen Tunnelblick“, meint die Regisseurin: „Die Figuren kommunizieren nicht miteinander, sprechen nicht über Ängste. Das wäre in meinen Augen der erste Schritt. Es existiert aber keine Lösung, nur eine Entscheidung.“ Wo die Handlung endet, kann es also nach den Aufführungen weitergehen: Stoff für hitzige Diskussionen gibt es genug.
Uraufführung „Chemo Brother“ am 30. April um 20 Uhr
in der Tischlerei
Weitere Aufführungen am
2. und 3. Mai um 20 Uhr,
am 3. Mai auch um 11 Uhr