In den vergangenen Tagen war ich nicht ganz so entspannt wie sonst. Das liegt daran, dass wir vor einiger Zeit eine wichtige Mitteilung erhielten. Die Kita von Linus hat nächste Woche geschlossen. Sein Papa hat leider gar keine Zeit, auf ihn aufzupassen – Präsentationen in der Uni. Seine Mama hat fast keine Zeit – zusätzliche Ausbildung. Oma hat auch sehr wenig Zeit – muss arbeiten. Und was hat Opa? Resturlaub. Auf den kann man sich eben verlassen, wenn Not am Mann ist. Linus’ Eltern haben sich gefreut, er auch, ich auch. Yippieh!
So war meine erste Reaktion. Nach kurzem Nachdenken kam die zweite: längeres Nachdenken. Mir dämmerte, dass mich ab Montag etwas völlig anderes erwartet als schlichtes Babysitting. Also Abendbrot mit Nutella, Zähneputzen, Gute-Nacht-Geschichte, noch eine zweite Gute-Nacht-Geschichte, schlaf schön! Oder ein gemeinsames Wochenende mit den Eltern. Also ein kleines Lagerfeuer, lustige Filmchen, noch ein Eis? Spielplatz, den Rest macht ihr, bis zum nächsten Mal, Tschüsschen.
Nein, diesmal bin ich völlig auf mich allein gestellt. Der Auftrag lautet, ein geniales Opa-Linus-Programm auf die Beine zu stellen. Ich kann ja nicht eine Woche lang vorlesen oder mit den Ohren wackeln. Er soll richtig Spaß haben und bald wiederkommen wollen. Am besten für immer bleiben. Dafür brauche ich einen Plan. Oma sieht das genauso. Sie ist mir da eine große Hilfe.
Den ersten Tag könnten wir schon mal im Zoo verbringen. Wobei – wird das nicht irgendwann langweilig? Und im Tierpark waren wir auch gerade. Kein Problem, Alternativen gibt es genug. Mit der „Moby Dick“ eine Haveltour machen, das wär’s. Obwohl – fahren die Schiffe denn noch? Und ist der Sommer nicht vorbei? Okay, wir können aber die Wildschweine im Wildgehege mit Nudeln füttern, die mögen sie doch so gern, bei jedem Wetter. Klar, kann man machen. Aber ist das nicht wie immer?
Grummel, grummel. Sie hat ja recht, da muss mehr kommen. Dieses Besondere! Wann hat eigentlich das Pergamonmuseum geöffnet? Ach, Opa, Linus ist vier. Für ihn gibt es doch so wunderbare Einrichtungen in der Stadt, von Labyrinth bis Spectrum. Ich will aber nicht in ein Museum, wo ich selbst wie ein Kind vor Rätseln stehe. Wenn schon, dann gehe ich lieber ins Waldmuseum Grunewald, da kann man so schöne Dinge über Tiere erfahren. Ich weiß genau, Linus will das auch.
Man könnte sich den Lego Store ansehen – ach, den kennt er schon? Na gut, jedenfalls habe ich ein Vogelfutterhaus zum Selbstbauen besorgt, da können wir schrauben, was das Zeug hält. Eine gute Idee, findet sogar Oma. Doch ganz tief in meinem Inneren nagen immer noch Zweifel, ob das wirklich reicht, um den kleinen Jungen glücklich zu machen.
Da kommt mir der erlösende Einfall: Ich rufe Linus einfach an. Sehr beiläufig natürlich, schließlich habe ich noch und nöcher Ideen für die läppischen paar Tage. Aber man wird ja mal fragen dürfen: „Gibt es etwas, mein Junge, was du in der Woche mit Opa besonders gern machen möchtest?“ Also neben den vielen anderen tollen Dingen, die noch geheim sind?
Als hätte er nur auf meinen Anruf gewartet, antwortet Linus: „Tauchen lernen.“ „Geht klar“, antworte ich, „hatte ich übrigens sowieso schon dran gedacht, das endlich mal mit dir zu üben.“ Ich gestehe: Ist ’ne kleine Notlüge. Tauchen lernen – warum bin ich darauf bloß nicht selbst gekommen?
Als ich Oma davon berichte, erklärt sie mir, das liege bestimmt daran, dass er sich gerade so gern „Conni macht das Seepferdchen“ vorlesen lässt. Conni muss dafür auch das Tauchen lernen. Ach ja, und warum weiß ich davon offenbar als Einziger nichts? Vielleicht kann mich in dieser Familie mal irgendjemand auf dem Laufenden halten, was mein Enkel für Wünsche hat?
Zur Strafe ziehe ich mein Unterhaltungsprogramm trotzdem durch. Wenn Linus wieder zu Hause ist. Mit Oma.
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