Berlin. Ich schreibe diese Kolumne nun schon seit zehn Monaten. Sie erscheint alle zwei Wochen. In der Zwischenzeit mache ich mir Notizen. Manchmal sagen die Kinder: Das ist jetzt nichts für die Kolumne. Manchmal geht es aus anderen Gründen nicht, dann ist zum Beispiel der erzählerische Bogen zu kurz. So bleiben in meinem Buch immer wieder unverwertete Notizen zurück. Eigentlich schade. Hier ein kurzer Überblick.
1. Badewannenstöpsel. Ich liebe ihn. Das weiß ich erst, seitdem er weg ist. Vor ein paar Tagen wachte ich mit leichten Verspannungen auf, außerdem war es etwas kalt in der noch ungeheizten Wohnung. Ich beschloss also, ein Bad zu nehmen. Das Radio dudelte leise, ich stellte meinen Kaffee neben die Wanne, zog mich aus und setzte mich hinein. Das warme Wasser verschwand sofort wieder im Abfluss. Kein Stöpsel.
- „Tochter!“
- „Hm?“, krächzte die Siebenjährige aus ihrem Bett.
- „Wo ist der bescheuerte Stöpsel?“
- „Oh ...“
- „Ich weiß, dass du ihn weggetan hast.“
- „Papa, ich schlafe noch.“
- „Und ich kann kein Bad nehmen!“
Dann hörte ich nichts mehr. Was das Verschwindenlassen von Dingen angeht, dachte ich, können es die Kinder locker mit dem großen Zauberkünstler Houdini aufnehmen. Der Unterschied ist, dass Houdini immer wusste, wohin er etwas verschwinden ließ. Meine Kinder wissen das nie. Stöpsel, Ladekabel, Scheren, alle möglichen Stifte und sogar meine Badeschlappen: All das lagert bei uns an einem unbekannten Ort. Wenn ich den eines Tages gefunden habe, mache ich eine Kolumne draus.
2. Handy. Ewiges Thema. Der „Spiegel“ hat ihm letztens sogar eine Titelgeschichte gewidmet. Der Zehnjährige hat mit ein paar Freunden aus der Schule eine Whatsapp-Gruppe gegründet. Seitdem hängt er noch öfter am Handy als vorher. Letztens wollten wir abends noch Englischvokabeln üben, er sollte das Ding also beiseitelegen. Die Frage ist natürlich, warum er es überhaupt in der Hand hatte. Unter der Woche darf er das eigentlich gar nicht.
- Sohn: „Ich sag’ noch kurz Tschüss.“
- Ich: „Okay.“
Er sagt Tschüss, legt das Handy weg, ich schlage das Englischbuch auf.
- Ich: „Okay. Was bedeutet ,Klassenzimmer‘?“
- Handy: „Dingdingding!“
- Sohn: „Ich muss kurz nachsehen. Das könnte wichtig sein!“
Er sieht nach, tippt etwas ein, legt es wieder weg.
- Ich: „Also, ,Klassenzimmer‘“.
- Handy: „Dingdingding!“
So ging das noch fünf Minuten weiter, dann schaltete ich sein Handy ab und versteckte es im Schlafzimmer. Darüber stritten wir uns dann. Der Sohn sagte, alle seine Freunde dürften viel öfter ans Handy als er. Seine Freunde sagen das komischerweise auch über ihn, ich habe das überprüft. Da ist eine Verschwörung der Kinder- gegen die Erwachsenenwelt im Gange. Ich werde das beobachten – und bei Gelegenheit berichten.
3. Essen. Letztens hatte ich Geburtstag. Ich wollte abends gern zum Japaner um die Ecke. Das Problem: Die Tochter hat zwar japanisches Essen noch nie probiert, kann es aber auf den Tod nicht ausstehen. Als ich sagte, wohin wir gehen würden, inszenierte sie einen Tobsuchtsanfall. Die Kurzfassung: Okay, Papa habe Geburtstag, schön und gut, aber uns allen sei doch klar, was wir ihr mit diesem Restaurant antun würden, niemals würde irgendwer Rücksicht auf sie nehmen, immer würde es allen aus der Familie super gehen und ihr niemals! Das ist natürlich grotesker Unsinn, führte aber dazu, dass wir uns was Japanisches holten und sie eine Pizza bekam. Wie man mit solchem Quatsch immer wieder Erfolg hat – eigentlich auch ein gutes Kolumnenthema.