Niemand hat Kinderrechte so radikal formuliert wie Janusz Korczak. Er forderte "Das Recht des Kindes auf Achtung": Heranwachsende sollten, so wollte es der polnische Pädagoge, wie Erwachsene, die Freiheit haben, eigene Fehler und Erfahrungen zu machen. Befehle und Anspruch auf kindlichen Gehorsam lehnte er ab.
Janusz Korczak wurde 1878 als Henryk Goldszmit in Warschau geboren. Als kleiner Junge soll er heimlich sein wohlhabendes, jüdisches Elternhaus verlassen haben, um mit armen Kindern zu spielen. Mit 18 Jahren veröffentlichte er seinen ersten Roman. Nach der Schule studierte er Medizin. In dieser Zeit beschloss er, sein Leben den armen und verwaisten Kindern in Warschaus Elendsvierteln zu widmen. Um die Abkehr von einer bürgerlichen Karriere zu demonstrieren, nannte er sich "Janusz Korczak" - der Name einer beliebten polnischen Romanfigur.
Nach dem Studium arbeitete Korczak als Kinderarzt an einer Warschauer Klinik und begann Utopien zu entwickeln von einer friedfertigen, klassenlosen Gesellschaft, in der Kinder und Erwachsene gleichberechtigt sind. 1911 gründete er ein Waisenhaus für jüdische Kinder, Dom Sierot, wo er seine Vorstellungen von einem demokratischen Miteinander verwirklichte. Es gab ein Kinderparlament, ein Kindergericht und eine eigene Zeitung. Die Erfahrungen aus dem Waisenhaus prägten seine pädagogischen Hauptwerke "Wie man ein Kind lieben soll" und "Das Recht des Kindes auf Achtung". Die Leser seiner Bücher fanden weder Erziehungstipps noch Handlungsanweisungen.
Die Nazis beendeten seine Karriere. 1940 wurde sein Waisenhaus ins Warschauer Ghetto verlegt. Korczak, der sein Leben hätte retten können, blieb bei den Kindern im Ghetto. Im August 1942 wurden sie ins Vernichtungslager Treblinka abtransportiert. Gemeinsam mit Korczak starben seine Mitarbeiter und etwa 200 ihm anvertraute Waisenkinder.
Sein Lebenswerk und seine unbeugsame Haltung fanden viele Bewunderer. In Berlin tragen ein Kinderheim, eine Schule und eine Kindertagesstätte seinen Namen. Seine Utopien jedoch gerieten mit der Zeit in Vergessenheit. "Aus Furcht, der Tod könnte uns das Kind entreißen, entziehen wir es dem Leben; um seinen Tod zu verhindern, lassen wir es nicht richtig leben", schrieb Korczak. Solche Sätze passen schlecht in Zeiten, in denen überbehütete Grundschüler nicht einmal das Recht auf einen unverplanten Nachmittag in der Woche haben.