Friedenskirche

Dieser fast vergessene Kunstschatz begeistert Forscher

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Jeanette Bederke
Die beiden Türme der Friedenskirche ragen in den blauen Himmel. Für den Laien eher unscheinbar, lösen die mittelalterlichen Giebelmalereien an der Frankfurter Friedenskirche Begeisterung aus. Jahrhundertelang dem Blick der Öffentlichkeit verborgen, wird der fast vergessene Kunstschatz jetzt erforscht, restauriert und konserviert.

Die beiden Türme der Friedenskirche ragen in den blauen Himmel. Für den Laien eher unscheinbar, lösen die mittelalterlichen Giebelmalereien an der Frankfurter Friedenskirche Begeisterung aus. Jahrhundertelang dem Blick der Öffentlichkeit verborgen, wird der fast vergessene Kunstschatz jetzt erforscht, restauriert und konserviert.

Foto: Patrick Pleul/dpa

Die Friedenskirche in Frankfurt Oder hat eine bewegte Geschichte. Vor allem der verborgene Giebel weckt das Interesse der Wissenschaft.

Frankfurt (Oder). Mittelalterliche, farbenfrohe Wandmalereien gab es nicht nur im Inneren gotischer Backsteinkirchen, sondern auch außen – an Giebeln, Türmen und sogar auf Dächern. Diesen Beweis liefert aktuell die Friedenskirche in Frankfurt (Oder). In 26 Nischen eines ostwärts gewandten Giebels finden sich Reste von Heiligendarstellungen sowie Fabelwesen, Engel und die biblische Kreuzigungsszene. „Das Besondere hier sind die monumentalen, ausgesprochen großflächigen Wandmalereien, die so gut wie gar nicht bekannt sind“, erklärt Jan Raue, Professor für Wandmalereien an der Fachhochschule Potsdam.

Leuchtend bunt habe der Giebel nach seiner Bemalung im 13. Jahrhundert die Häuser der Stadt regelrecht überstrahlt, sei auch östlich der Oder von weither sichtbar gewesen, sagt er. „In Mittel- und Nordeuropa ist dieses Kunstwerk einzigartig – bezogen auf die Ikonologie und die Reichhaltigkeit der Bildthemen“, ergänzt Mechthild Noll-Minor vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege, das die Forschungen begleitet. Die Kunstwerke gehörten zu den ältesten noch erhaltenen Fassadenmalereien in Brandenburg, schätzt sie ein.

Friedenskirche: Wie der bemalte Giebel in Vergessenheit geriet

Dass es diese mittelalterlichen Wandmalereien noch gibt, ist ihrer Geschichte geschuldet, so Raue. Denn nach etwa 70 Jahren, um 1375, war die damalige Nicolai- und heutige Friedenskirche umgebaut worden, erhielt einen neuen Hallenumgangschor. Der bemalte Giebel verschwand unter dem Chordach und geriet in Vergessenheit.

Gleichzeitig auch ein Glücksumstand: Denn die Malereien waren nicht länger der Witterung ausgesetzt. „Das Gotteshaus war nicht mehr Mittelpunkt der Stadt, sondern die neu gebaute Marienkirche - bekannt geworden durch die gläserne Bilderbibel“, betont der Wissenschaftler. Damals sei ein wahrer Boom bemalter Glasfenster entstanden, erklärt auch Noll-Minor. „Man hatte herausgefunden, dass die wesentlich haltbarer sind als die Wandmalereien.“

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Denkmalschützer entdeckten 1991 den Giebel mit den Malereien

Im Laufe der Jahrhunderte war der älteste Sakralbau in Frankfurt (Oder) dann sogar als Kornspeicher, Lazarett oder Pulvermagazin zweckentfremdet worden. 1929 wurde er wieder als Gotteshaus genutzt und bekam den Namen „Friedenskirche“. 1991, als das einsturzgefährdete Dach saniert wurde, entdeckten Denkmalschützer dann den Giebel mit seinen kostbaren Malereien wieder. „Um sie zu schützen, wurden die Nischen mit Brettern verschalt. Sie sollten erst wieder zum Vorschein kommen, wenn sie erforscht und restauriert werden können“, sagt Raue, der den gemalten Schatz 1996 zur Voruntersuchung erstmals zu Gesicht bekam. Seitdem bemüht er sich um Fördermittel dafür.

Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt finanziert nun in großen Teilen ein 280.000 Euro teures dreijähriges Forschungsprojekt: Zusammen mit seinen Studenten des Studienganges Konservierung und Restaurierung wird der Professor Bestand und Zustand der mittelalterlichen Malereien erfassen. Auch ein Erhaltungskonzept soll erstellt werden. „Sie bleiben, wie sie jetzt sind, werden aber vor weiterem Verfall geschützt.“

In diesem Zusammenhang soll auch eine Ausstellung gestaltet werden, da Kirchenbesuchern der Giebel mit dem mittelalterlichen Kunstschatz weiter verborgen bleiben wird: Das Chordach verdeckt nach wie vor den Blick darauf. Virtuell sollen die Malereien in der Schau erlebbar werden. Zudem wird es ein 3D-Modell des Giebels in der Ausstellung geben.

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Es soll erforscht werden, welcher Künstler hinter den Malereien steckt

Restauratorin Dorothee Schmidt-Breitung wird gemeinsam mit 20 Elftklässlern des Rahn-Gymnasiums Neuzelle erforschen, wie die Malereien im Original aussahen und sie digital rekonstruieren. „Die Schüler lernen die christliche Bildsprache kennen, um die Darstellungen interpretieren zu können und Ausstellungsbesuchern eine Art Lesehilfe geben zu können“, sagt die Spezialistin für Wandmalereien aus Breslack im Landkreis Oder-Spree. Sie engagiert sich bereits seit Jahren für die Vermittlung von Denkmalpflege an Schulen. Wichtigste Herausforderung: Die Ausstellung muss Jugendliche ansprechen, um sie für mittelalterliche Kunst zu begeistern. Dafür würden die Schüler auch einen Audioguide gestalten.

Raues Forschung wird sich auch mit den augenscheinlichen Pigmentveränderungen der Malereien befassen. Denn bunt sind sie schon längst nicht mehr, stattdessen finden sich an alle möglichen Schattierungen von Grau. „Dass Farben verblassen, ist normal. Aber so eine komplette Farbveränderung gibt es nirgendwo an mittelalterlichen Wandmalereien an Außenfassaden in Brandenburg“, sagt der Fachmann.

Eine Überraschung sei die Rätsel aufgebende „Vergrauung“ für die Fachleute nicht gewesen, sagt Raue und verweist auf Fotografien von 1927 aus dem Frankfurter Stadtarchiv. Mit einer Multispektralkamera sollen die Nischenkunstwerke aufgenommen und untersucht werden. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt wird nach Angaben von Noll-Minor die Herkunft der Malereien sein. „Wir wissen bisher nicht, welcher Künstler oder welche Werkstatt dafür verantwortlich war. Das herauszufinden, ist eine echte Herausforderung.“ (dpa)