Potsdam. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hält nach dem russischen Angriff in der Ukraine eine Prüfung des früheren Kohleausstiegs für sinnvoll. „Ich glaube auch, dass es gut ist, wenn wir uns in diesem Jahr noch Gedanken machen, ob auch vor dem Hintergrund die Zeitschiene für den Kohleausstieg 2030 real ist“, sagte Woidke am Donnerstag in Potsdam. Dazu habe Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine Analyse angekündigt. Woidke sagte, Deutschland sei in der Energieversorgung ein Stück weit von Russland abhängig „und damit auch ein Stück weit erpressbar“. Es gehe darum, für möglichst große Unabhängigkeit in der Energieversorgung zu sorgen und für „vernünftige Energiepreise“.
Der Strompreis muss bezahlbar bleiben
Die Ampel-Koalition hatte vereinbart, dass der Ausstieg aus der Kohle in Deutschland „idealerweise“ bis 2030 vorgezogen werden soll. Woidke hatte dafür bereits Bedingungen genannt: Die Stromversorgung müsse ohne Kohle zu 100 Prozent garantiert sein, der Strompreis müsse bezahlbar sein, und neue Arbeitsplätze müssten in den Kohlerevieren rechtzeitig vorhanden sein.
In Brandenburg und Sachsen ist die Lausitz vom Braunkohleausstieg betroffen. Bisher war geplant, dass das Kraftwerk Jänschwalde in der Brandenburger Lausitz von Ende 2025 bis Ende 2028 vom Netz geht, das Kraftwerk Schwarze Pumpe bis Ende 2038. Wirtschaftsminister Habeck hatte bereits im Vorfeld der Eskalation in der Ukraine ein Gutachten über die Energieversorgung in Deutschland beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit der Frage in Auftrag gegeben, ob die Energieversorgung auch ohne Gas- und Öl-Lieferungen aus Russland gesichert werden könne. Nach Angaben Habecks hält das Institut das für möglich. Er sagte nicht, unter welchen Voraussetzungen.
Die Forderung Woidkes stieß bei den Grünen auf Widerstand. Die Landtagsabgeordnete Ricarda Budke hält ein Vorziehen für nötig: „Der Kohleausstieg 2030 ist und bleibt klimapolitisch notwendig“, schrieb sie bei Twitter.
Über den Zeitpunkt des Ausstiegs aus der Kohleförderung ist in den vergangenen Jahren viel gestritten worden. Die Bundesregierung hatte dazu vor vier Jahren die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ ins Leben gerufen. Sie sollte insbesondere einen Plan für die schrittweise Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung in Deutschland erstellen. Nach den Vorschlägen der Kommission soll die Kohleverstromung von derzeit 30 Megawatt auf 17 Megawatt im Jahr 2030 reduziert werden, bevor spätestens im Jahr 2038 ganz verzichtet werden kann.
Woidke hatte sich im Vorfeld der Kohlekommission stets für eine längere Laufzeit der Kraftwerke ausgesprochen, die nach seiner Überzeugung deutlich über das Jahr 2040 hinausreichen sollte. Dabei zielte der Ministerpräsident vor allem auf die Lausitz ab, die noch stark vom Kohleabbau geprägt ist. Rund 8000 Menschen arbeiten in Brandenburg noch direkt in der Kohlewirtschaft, etwa 15.000 bei Zulieferunternehmen.
Vorreiter beim Ausbau erneuerbarer Energien
Aus Woidkes Sicht ist der Umbau der Energiewirtschaft noch nicht so weit fortgeschritten, dass in naher Zukunft eine Versorgung ohne Kohle möglich ist. Brandenburg selbst ist allerdings Vorreiter. Mit aktuell 3700 Windenergieanlagen, 35.000 Photovoltaikanlagen sowie über 500 Biomasseanlagen kann Brandenburg im bundesweiten Vergleich die höchste installierte elektrische Leistung aus erneuerbaren Energien pro Einwohner vorweisen und könnte zwei Drittel der benötigten Energie bereits aus Erneuerbaren erzeugen. Allerdings stößt der Ausbau an Grenzen. Der Widerstand gegen neue Windkraftanlagen hat in den vergangenen Monaten stark zugenommen.