Eberswalde. 1231 Unternehmen betreiben in Brandenburg ökologischen Landbau. Sie können den wachsenden Bedarf in der Region jedoch kaum decken.

Die Waschmaschine ist Ludolf von Maltzans jüngste Anschaffung am Betriebsstandort in Eberswalde. Der Chef des Landwirtschaftsbetriebes Ökodorf Brodowin zeigt stolz auf das blank polierte Stahlgefäß. In dem werden Gläser gereinigt, die zuvor Rinderzunge, Gänsefond, Hühnerbrühe oder Linsensuppe enthielten. „Wir haben damit auf den Wunsch unserer Kunden reagiert, bei der Verpackung nachhaltige Lösungen zu finden.“ Bis zu 150 Gerichte werden in der Küche der vor vier Jahren bezogenen Betriebsstätte gekocht und in Weck-Gläser abgefüllt. Fleisch und Gemüse stammen aus Brodowin. Die Nachfrage ist groß, „wir könnten das Dreifache produzieren“. Deutlich früher als erwartet muss Maltzan deshalb erweitern. In drei Wochen beginnen die Bauarbeiten für ein neues Nebengebäude, dafür investiert er eine Million Euro.

Von Maltzan braucht mehr Fläche für Lagerung, Kühlung und Logistik. Denn nicht nur Suppen werden in Eberswalde zubereitet. Auch den „Brodowiner Ökokorb“ stellen 50 Mitarbeiter hier nach individuellem Käuferwunsch zusammen. Der Kunde kann aus einem Online-Sortiment von 3000 Bio-Artikeln wählen – von Kartoffeln über Obst, Molkereiprodukte bis zu Fruchtsäften, Kosmetik oder Tierfutter. 300 Produkte kommen aus dem Ökodorf, den Rest liefern Bio-Erzeuger aus einem Umkreis von 200 Kilometern zu. Der unternehmenseigene Lieferdienst transportiert die Abo-Kisten bis vor die Haustür. „Wöchentlich versorgen wir 2200 private Haushalte“, sagt von Maltzan. „Tendenz steigend.“ Ökologisch produzierte regionale Lebensmittel lägen im Trend. Nicht nur in Berlin, wohin 90 Prozent der Brodwiner Güter gehen.

Ludolf von Maltzan (r.), Chef des Ökodorfs Brodowin, zeigt Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger (l.) die Vertriebsstätte in Eberswalde.
Ludolf von Maltzan (r.), Chef des Ökodorfs Brodowin, zeigt Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger (l.) die Vertriebsstätte in Eberswalde. © Katrin Starke | Katrin Starke

Anteil der Betriebe soll bis 2030 auf 20 Prozent steigen

Was Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) darin bestätigt, dass der Öko-Landbau weiter zulegen werde. Die Nachfrage nach Bio-Produkten aus Brandenburg könne gegenwärtig noch nicht befriedigt werden, obwohl mittlerweile 12,3 Prozent (162.653 Hektar) der märkischen Agrarflächen ökologisch bewirtschaftet werden. Damit steht Brandenburgs Ökolandbau bundesweit an dritter Stelle. „Bis 2030 wollen wir den Anteil auf 20 Prozent erhöhen“, sagt Vogelsänger. Ende 2018 wirtschafteten in Brandenburg 1231 Unternehmen nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus. „Gerade in der Veredelung heimischer Bio-Rohstoffe, aber auch im Handel liegen noch Potenziale. Die sind auf dem hart umkämpften deutschen Lebensmittelmarkt allerdings nicht leicht zu erschließen“, so Vogelsänger.

Helfen soll ein Maßnahmenprogramm seines Ministeriums. Das im Mai veröffentlichte Programm ersetze aber nicht eine weiter auszuarbeitende Strategie. Hinweise dafür erhofft sich Vogelsänger von Praktikern wie von Maltzan. „Der Einsatz neuer Technologien sollte stärker unterstützt werden“, rät dieser. So könnten Melkroboter oder Maschinen, die auf dem Feld Unkraut zupfen, fehlende Arbeitskräfte ersetzen. Seit 2013 betreibt der 44-jährige Sven Geelhaar in Chorin (Barnim) einen kleinen Bio-Landwirtschaftsbetrieb. Auf 130 Hektar baut der gelernte Winzer verschiedene Kartoffelsorten und Freilanderdbeeren an, verkauft sie über den Hofautomaten, beliefert zudem Biofachmärkte in Bernau und Berlin. „Die stetige Nachfrage des Handels und der privaten Kundschaft nach unseren zertifizierten Bioland-Erdbeeren konnten wir in diesem Jahr trotz größerer Mengen nicht ausreichend bedienen“, stellt er fest. Unbehandelte Erzeugnisse aus der Region boomten. „Das wird uns in den kommenden Jahren vor große Aufgaben stellen.“ Denn die Anbaufläche für Bio-Erdbeeren bewege sich in Brandenburg gerade mal in einer Größenordnung von fünf Fußballfeldern. „Wir könnten das Zehnfache absetzen“, sagt Geelhaar.

Der zeitliche Aufwand für Pflanzung, Pflege und Ernte der Öko-Früchte sei zwar immens, Geelhaar kalkuliert mit 1500 Stunden pro Hektar. Dennoch träumt er von Expansion. Noch fehlt es ihm an Kapital, nicht jedoch an Ideen. So hat er sein Angebot um Bio-Eier ergänzt, vor einem Jahr zwei „Hühnermobile“ angeschafft, mittlerweile auf fünf erhöht. Die immer größeren mobilen Ställe, die bis zu 2000 Hennen fassen, sieht Geelhaar aber skeptisch. Beim ihm bewohnen nur 250 Hennen und drei Hähne ein Mobil. Alle zwei Wochen werden sie umgesetzt. Bis zu 30.000 Eier legen seine Lohmann-Braunen im Monat. 40.000 Euro hat Geelhaar pro Mobil investiert. In sechs Jahren, so hofft er, würden sich die Kosten amortisiert haben. Zwar gibt es für die Anschaffung Fördermittel vom Landwirtschaftsministerium, die nahm Geelhaar aber nur für die ersten zwei Ställe in Anspruch. „Von Antragstellung bis Auszahlung dauerte es viel zu lange.“ Kritik, die Vogelsänger kennt. Der Minister verweist auf die geringe Personaldecke in seinem Haus, zudem auf die aufwändige Auszahlung der Dürrehilfe, der er Priorität eingeräumt habe.

Geelhaars Bio-Eier sind längst kein Geheimtipp mehr in der Region. „Unsere Tiere bekommen den größten Teil ihrer Futterration von den eigenen Feldern und nicht aus der Fertigmischung mit Farbstoff für die Eifärbung“, informiert er Spaziergänger schon mal am Weidezaun. Demnächst wird die Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde mit dem Landwirt kooperieren: Die Wissenschaftler wollen die Eignung alter Hühnerrassen fürs Hühnermobil erforschen. Zudem ist er mit der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg über Vermarktungsmöglichkeiten im Gespräch, verfolgt mit Interesse deren Überlegungen zum Aufbau einer Bio-Erzeugergemeinschaft für mobile Hühnerhaltung.

Um die richtige Vermarktung seiner Produkte hat sich auch Moritz Timm lange Gedanken gemacht. Mit seinem Bio-Suppensortiment „Wünsch Dir Mahl“ (WDM) beliefert er seit zehn Jahren Bio- und Naturkostläden in Berlin und Brandenburg, seit zwei Jahren ist die zweite Produktlinie „Daily Soup“ auch in den Filialen der Drogeriekette dm gelistet. Anfangs hatte Timm mit seinem Schulfreund André Riediger auf dem Demeter-Hof Apfeltraum im Müncheberger Ortsteil Eggersdorf sein Süppchen gekocht, heute beschäftigt der 38-Jährige an seinem Küchen- und Vertriebsstandort in Müncheberg 14 Mitarbeiter.

„Es wird noch zu wenig Bio-Gemüse angebaut“

„Wegen der rasanten Nachfrage mussten wir unsere Produktions- und Experimentierstätte Schritt für Schritt vergrößern, sogar zwei Mal umziehen.“ Der 40-Liter-Kochtopf der ersten Jahre ist zwei Kesseln mit jeweils 600 Litern Fassungsvermögen gewichen. 5000 Gläser in 400-Gramm-Größe mit Roter Linsensuppe, Soljanka oder veganen Thai-Varianten werden nun täglich in Müncheberg produziert. Vom Gemüse des Demeter-Hofs musste Timm allerdings auf biologisch angebautes Tiefkühlgemüse umstellen. Der erforderlichen Mengen wegen, „in Brandenburg wird noch zu wenig Bio-Gemüse angebaut“.