Anwohner müssen zahlen

Hausbesitzer fordern mehr Gerechtigkeit bei Straßenausbau

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Jens Anker
Hausbesitzer sollen den Ausbau öffentlicher Straßen wie hier in Potsdam bezahlen. Dagegen regt sich massiver Widerstand.

Hausbesitzer sollen den Ausbau öffentlicher Straßen wie hier in Potsdam bezahlen. Dagegen regt sich massiver Widerstand.

Foto: Christoph Soeder / dpa

Städtebund will Eigentümer für den Ausbau der Straßen weiter zur Kasse bitten. Die rot-rote Regierung will die Beiträge abschaffen.

Potsdam.  Brandenburgs Städte- und Gemeindebund hat sich für eine gerechtere Grundsteuer für Immobilienbesitzer und gegen die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ausgesprochen. „Die Grundsteuer muss schnell auf eine sichere Grundlage gestellt werden“, sagte der Präsident des Städte- und Gemeindebundes, Oliver Hermann. Das Bundesverfassungsgericht hatte die gegenwärtige Regelung gekippt, weil die Berechnungsgrundlage veraltet ist.

Die gegenwärtigen Diskussionen über die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge bezeichnete der Städte- und Gemeindebund als „absolut populistisch“ und gefährlich für die Finanzierung von Städten und Gemeinden. „Auf den Brandenburger Straßen besteht ein Sanierungsbedarf in Höhe von 2,77 Milliarden Euro“, sagte der Geschäftsführer des Bundes, Jens Graf. Allein für den Unterhalt seien 320 Millionen Euro notwendig. Ohne die einnahmen aus dem Straßenausbaubeitragsgesetz könnten künftig nur zwei bis vier Straßen je Landkreis saniert werden, kündigte Graf an.

Beiträge wurden in einigen Bundesländern abgeschafft

In Brandenburg ist in den vergangenen Wochen eine heftige Kontroverse über die Beteiligung von Grundstücks- und Eigenheimbesitzern an den Kosten für den Straßenausbau entbrannt. Immer mehr Menschen fordern die Abschaffung der Beiträge für den Straßenausbau, in einigen Bundesländern ist das bereits geschehen. Ursprünglich wollte die rot-rote Landesregierung an der Beteiligung der Eigentümer festhalten – hat aber angesichts der wachsenden Kritik an den Beiträgen nun eine Wende vollzogen und sucht nach Wegen, sie abzuschaffen oder mindestens zu senken.

Das Thema ist angesichts der anstehenden Landtagswahlen im Land brisant. „Es gibt den politischen Willen, die Beiträge abzuschaffen“, sagte Finanzstaatssekretärin Daniela Trochowski am Montag in Potsdam. „Wie das geschehen soll und wie das finanziert wird, ist noch offen.“ Die Diskussion darüber habe gerade erst begonnen. Auch die SPD ist umgeschwenkt und will die Beiträge abschaffen. Als wahltaktisches Manöver will das Finanzstaatssekretärin Trochowski nicht verstanden wissen. Im Gegenteil: „Das zeigt, dass die Politik das Ohr am Bürger hat“, sagte Trochowski. „Politik ist lernfähig.“

Verschärft wurde der Streit in der vergangenen Woche, als Vertreter der Freien Wähler 108.000 Unterschriften für die Abschaffung der umstrittenen Beiträge beim Landeswahlleiter abgaben. Damit ist aller Voraussicht nach die erste Hürde für ein erfolgreiches Volksbegehren genommen. Sollte die Landesregierung nicht reagieren, wäre ein Volksentscheid zur Landtagswahl im September dieses Jahres möglich. Das will die Landesregierung angesichts schwacher Umfragewerte unbedingt vermeiden.

Der Städte- und Gemeindebund in Brandenburg ist strikt gegen eine Abschaffung, weil er den Gemeinden dringend benötigte Einnahmen für die Instandsetzung und Instandhaltung der Straßen nimmt. „Es darf nicht so sein, dass ein Problem gelöst wird und drei neue entstehen“, forderte Geschäftsführer Graf. Die Landesregierung könne die Beiträge nicht abschaffen, solange nicht klar sei, wie die Ausfälle für die Kommunen ausgeglichen werden.

Komplizierter ist die Neuregelung der Grundsteuer. Bislang wurde sie anhand von Bewertungen aus dem Jahr 1935 (Osten) und 1964 (Westen) berechnet. Das Bundesverfassungsgericht hält das nicht mehr für zeitgemäß und forderte eine zeitgemäße Grundlage. Das könnte nun zu erheblichen Unterschieden für einige Grund- und Immobilienbesitzer führen, da sich die Bewertung ihrer Grundstücke im Vergleich zum bisherigen Wert erheblich verändert hat.

Landesregierung und Städte- und Gemeindebund sind sich in diesem Fall einig darüber, dass eine künftige Berechnung nicht nur an die Größe der Grundstücke und Gebäude gekoppelt werden sollte, sondern der tatsächliche Wert einer Immobilie mit in die Berechnung einfließen sollte. „Das ist aus meiner Sicht gerechter“, sagte Trochowski. Das spiegele die aktuellen Werte des Eigentums und mögliche Wertentwicklungen wider.

Gemeindebund erwartet umsetzbare Lösungen

Der Städte- und Gemeindebund unterstützt die Landesregierung in ihrer Auffassung – wenn die künftige Regelung auch tatsächlich umgesetzt werden kann. „Wir erwarten rechtssichere Lösungen und Lösungen, die die Pro­bleme lösen“, sagte Geschäftsführer Graf.

Die Städte und Gemeinden nehmen in Brandenburg jährlich rund 280 Millionen Euro von den Grundbesitzern ein. Landesregierung und Gemeindebund sind sich einig, dass den Kommunen nach einer Neuregelung insgesamt nicht mehr oder weniger Grundsteuer zufließen soll. Das Verfassungsgericht hat dem Bund bis zum 31. Dezember 2019 Zeit gegeben, ein entsprechendes Gesetz vorzulegen.