Potsdam. In Brandenburg haben künftig mehr Menschen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) und damit auf eine Sozialwohnung. Die Landesregierung in Potsdam hat die Einkommensgrenzen dafür erhöht. „Wir wollen, dass Wohnen für alle Menschen bezahlbar bleibt“, sagte Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (SPD) am Mittwoch. „Wir glauben, dass es damit mehr Gerechtigkeit im Land gibt“, so Schneider.
Etwa die Hälfte der Haushalte im Land könne damit abgedeckt werden, nachdem bislang nur ein Drittel der Haushalte einen WBS beantragen konnte. Das neue Gesetz berücksichtigt auch besondere Wohnformen: In den Genuss kommen nun auch Studenten und Auszubildende, für die geförderte Wohnheime entstehen können. Auch Wohngemeinschaften für Alte, Behinderte oder Mehrgenerationenhäuser sind künftig förderberechtigt.
Die Grenzwerte liegen unter den Werten Berlins
Die Berechnung der Einkommensgrenzen für einen Wohnberechtigungsschein ist kompliziert. Zunächst wird das Netto-Jahresgehalt zugrunde gelegt, danach können noch mehrere Pauschalbeträge, etwa für die Renten- und Krankenversicherung oder für im Haushalt lebende Kinder abgezogen werden.
Nach dem Beschluss der Landesregierung können künftig Alleinstehende einen WBS beantragen, wenn sie nach Abzug aller Pauschalen nicht mehr als 15.600 Euro netto im Jahr verdienen (bislang 12.000 Euro). Bei Zweipersonenhaushalten sind es 22.000 Euro (bislang 18.000 Euro). Damit liegen die Werte leicht unter denen Berlins, wo es 16.800 Euro für Alleinstehende und 25.200 Euro für Zweipersonenhaushalte sind. Allerdings ist der Kinderzuschlag in Brandenburg künftig deutlich höher. Je Kind können in Brandenburg noch einmal 2000 Euro abgezogen werden, in Berlin sind es nur 800 Euro.
In Brandenburg stehen pro Jahr 100 Millionen Euro für die Wohnraumförderung zur Verfügung, die Summe wurde jedoch in keinem Jahr voll ausgeschöpft. In den vergangenen drei Jahren sind insgesamt 233,5 Millionen Euro für den Bau von insgesamt 2224 neuen Sozialwohnungen bewilligt worden. Ein Grund für das fehlende Abrufen der Mittel könnte darin bestehen, dass Wohnungsbaugesellschaften es immer schwerer haben, Menschen mit WBS für ihre Sozialwohnungen zu erreichen, vermutet Infrastrukturministerin Schneider. Weil die Einkommensgrenzen in den vergangenen Jahren nicht angepasst wurden, sank die Zahl der Berechtigten. Das soll sich nun ändern.
Die Sozialmieten in Brandenburg liegen im Berliner Umland bei 5 Euro bis 5,50 Euro je Quadratmeter, in den berlinfernen Regionen dagegen bei rund 4,60 Euro. Derzeit entstehen vor allem im Berliner Umland mehrere Hundert neue Sozialwohnungen, darunter in Hennigsdorf, Oranienburg, Bernau, Schönefeld und Potsdam – zum Teil an zentralen Orten. So sieht die Planung in Potsdam vor, bei der Wiederherstellung der historischen Mitte rund um den Alten Markt auch viele neue Sozialwohnungen zu errichten. Derzeit laufen dazu die Ausschreibungen und Bauvorbereitungen.
Mieter- und Sozialverbände beklagen seit Jahren, dass die Landesregierung den Bau sozial geförderten Wohnraums vernachlässigt, obwohl fast überall im Land die Mieten stärker steigen als die Einkommen. Die Zahl der Sozialwohnungen ist tatsächlich in den vergangenen Jahren stetig gesunken. Seit 2004 sind 64.000 Wohnungen aus der Förderung gefallen, derzeit bestehen noch rund 40.000 Wohnungen mit Mietpreisbindungen. Allein 2017 fielen 8000 Wohnungen aus der Förderung, für die die Eigentümer dann die ortsüblichen Mieten verlangen können.
Wohnberechtigungsschein wird nicht immer beantragt
Sozialwohnungen werden in Deutschland in der Regel von kommunalen Wohnungsunternehmen, Genossenschaften oder privaten Investoren gebaut. Diese bekommen gute Darlehensbedingungen oder einen Zuschuss. Dafür ist ein Teil der Wohnungen dann mietpreisgebunden, also relativ günstig anzubieten. In Brandenburg gilt, dass 75 Prozent der geförderten Wohnungen preisgebunden vermietet werden sollen, davon die Hälfte an Inhaber eines WBS, die andere Hälfte an Mieter, die zwar keinen WBS beantragen können, aber sich dennoch keine Mieten von neun oder zehn Euro je Quadratmeter leisten können – die sogenannte zweite Einkommensgrenze. Ein Viertel der Wohnungen kann frei am Markt angeboten werden.
Bei Sozialwohnungen gilt das sogenannte Kostenmieten-Prinzip, wonach die Miete nur dann steigen darf, wenn sich die Kosten für das Wohnen auch tatsächlich erhöhen, etwa durch Gebührenerhöhungen. Aber längst nicht alle Mieter, die einen WBS beantragen könnten, machen das auch tatsächlich – entweder, weil sie bereits über günstigen Wohnraum verfügen, Wohneigentum besitzen, oder weil sie gar nicht wissen, dass sie mit einem WBS eine kostengünstige Wohnung beantragen können.