Schönefeld. Schönefeld ist die reichste Gemeinde im Land Brandenburg, viele Menschen ziehen dorthin. Es gibt einen regelrechten Bauboom.

Wenn Udo Haase vom Dach seines Rathauses in die Gegend schaut, dann sieht er vor allem viel freie Fläche. Irgendwo im Norden ragt die Gropiusstadt auf, im Süden erstreckt sich Deutschlands größte Dauerbaustelle, der BER. Dazwischen liegt viel Wiese. „Als ich das Rathaus hier bauen ließ, da haben mich viele Leute ausgelacht“, sagt Haase, Bürgermeister der Gemeinde Schönefeld im Südosten Berlins. „Noch nicht einmal die neue Straße zum Rathaus war ja fertig.“

Heute sieht das anders aus. Immer mehr Kräne füllen die Lücken in der Landschaft auf. Es wird viel gebaut in Schönefeld. Gerade erst wurde die neue Grundschule gegenüber dem Rathaus fertiggestellt. Nebenan entsteht eine neue Kita. Am Dorfanger in Alt-Schönefeld sind schon die ersten Stockwerke eines neuen dreizügigen Gymnasiums fertig, daneben soll noch eine fünfzügige Oberschule gebaut werden. Bescheidenheit wäre fehl am Platz: Großer Zuwachs erfordert große Maßnahmen.

Schönefeld gilt als reichste Gemeinde Brandenburgs. Seit der Wende hat sich die Einwohnerzahl von 5000 auf 15.000 verdreifacht, der Trend setzt sich fort. Allein in Schönefeld-Nord, also direkt hinter der Berliner Stadtgrenze, werden in nicht allzu ferner Zukunft 23.000 Menschen leben. „Da werden 3000 Kinder dabei sein, davon 1000 Kita-Kinder. Deswegen investiert die Gemeinde vorsorglich in die soziale
Infrastruktur. Auch sechs neue Sporthallen und Sportplätze gibt es schon.

Aber das Bevölkerungswachstum wird auch immer mehr Verkehr nach sich ziehen. 37.000 Fahrzeuge werden sich zusätzlich auf den Straßen bewegen, berechneten die Mitarbeiter im Rathaus. Deswegen baut die Gemeinde auch schon Straßen auf Vorrat. Zum Beispiel die Hans-Grade-Allee, die von Altglienicke und der Autobahn am Rathaus vorbei um das alte Dorfzen­trum herum führt. Derzeit wirkt die Straße reichlich überdimensioniert, wie sie sich so durch die Landschaft schlängelt – doch wenn erst einmal die neuen Wohnungen gebaut sind, dann wird sie gerade so ausreichen, sagt Haase.

Die Gemeinde will unbedingt die U-Bahnverlängerung

Umso weniger versteht der Bürgermeister, warum sich der Landkreis, Berlin und Brandenburg so zieren, die U-Bahnlinie 7 von Rudow aus nach Süden zum künftigen Flughafen zu verlängern. „Jetzt haben sie eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben“, winkt Haase ab. „Da wird dann herauskommen, was sowieso schon alle wissen: dass die Verlängerung sinnvoll ist.“ 700 Menschen kann eine U-Bahn auf einmal transportieren, viel mehr als Busse oder Straßenbahnen bewerkstelligen können.

Und auch das Kostenargument lässt der agile Bürgermeister nicht gelten. Jetzt könne man noch oberirdisch bauen. Wenn erst einmal alles zugebaut ist, müsste man einen Tunnel graben. Das würde die Kosten natürlich in die Höhe schnellen lassen. Gerade erst hat Schönefeld mit der Flughafengesellschaft eine Vereinbarung geschlossen, in der sie eine Kooperation für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur rund um den Flughafen beschlossen haben. Auch hier geht die Gemeinde in Vorlage und fängt mit der Planung und dem Bau an, bevor Landkreis oder das Land Brandenburg ihren Kostenanteil übernehmen.

Dass sich die Gemeinde alle diese Investitionen leisten kann, hat neben dem Flughafen, der schon jetzt viele Firmen anlockt, vor allem auch mit Kurt Krieger zu tun. Der West-Berliner Möbel-Unternehmer traf nach der Wende eine richtungsweisende Entscheidung. Er verlegte den Firmensitz nach Waßmannsdorf, einem Ortsteil von Schönefeld, und expandierte. Fast 1,9 Milliarden Euro setzen die Krieger-Firmen mittlerweile um – und versteuern das Geld in Schönefeld. Das hat Kurt Krieger die Ehrenbürgerschaft der Gemeinde eingebracht – ein Porträt-Gemälde Kriegers hängt in einer Reihe mit Por­träts anderer Ehrenbürger im Flur vor dem Büro des Bürgermeisters.

Schönefeld erzielt jede Menge Steuereinnahmen. 130 Millionen Euro verzeichnet die Gemeinde jedes Jahr. Das entspricht 8700 Euro je Einwohner. In Potsdam sind es 410, in Cottbus 120 Euro. Aber den Begriff „reichste Gemeinde“ mag Bürgermeister Haase nicht. Dank eines komplizierten Umlagesystems muss Schönefeld 60 Millionen davon an den Landkreis und 40 Millionen an das Land abtreten. „Da sind dann schon 100 Millionen Euro wieder weg“, sagt Haase.

Der 66-Jährige ist seit 1990 Bürgermeister von Schönefeld. Ob er die Eröffnung des Flughafens noch als Bürgermeister erleben wird, ist unklar. Im kommenden Jahr wird gewählt. Haase weiß noch nicht, ob er antreten wird. „30 Jahre Bürgermeister, das soll erst einmal einer machen“, sagt er. Wahrscheinlich hört er auf.