Bernau. Mehr als 1000 Polizeibeamte simulieren zwei Tage lang den Angriff einer islamistischen Terrorzelle in Bernau bei Berlin.

Um 13.30 Uhr greifen die Terroristen an. Sie sind mit Maschinenpistolen bewaffnet. Die Gäste in dem Tagungshotel am Rande der brandenburgischen Stadt Bernau (Landkreis Barnim) sind ahnungslos, können nicht fliehen. Gleich am Eingangsbereich wird einer von ihnen erschossen. Anschließend dringen die Terroristen in das Gebäude ein. Schüsse sind zu hören und die verzweifelten Schreie einer Frau.

Das Hotel ist kein Hotel, sondern ein ehemaliges Seniorenheim, das wegen Schimmelbefalls abgerissen werden soll. Es ist auch sonst alles nur ein Spiel; letzter Teil einer „zweitägigen Vollübung zur Bewältigung eines terroristischen Anschlagszenarios“, wie es in einem Informationsblatt des brandenburgischen Polizeipräsidiums heißt. Einsatztrainer simulieren die Terroristen. Studenten der Fachhochschule der Polizei übernehmen den Part der Opfer. Andere Beamte beobachten und bewerten das Vorgehen ihrer Kollegen; sie tragen weiße Westen mit der Aufschrift „Schiedsrichterdienst“. Mehr als 1000 Polizeibeamte sind involviert.

Katrin Lange: "Der Terror ist erschreckend nah"

„Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass es eine abstrakte Gefährdungslage gibt. Der Terror ist erschreckend nah, und deswegen müssen alle Sicherheitskräfte gut eingespielt sein für den Fall der Fälle“, begründet Katrin Lange, Staatssekretärin im Ministerium des Innern, am Montag kurz vor der Erstürmung des Tagungshotels, die aufwendige Aktion. „Neben ausreichendem Personal und einer guten technischen Ausstattung ist das Üben eine wichtige Grundlage, um im Einsatz erfolgreich zu sein.“

Mehr als ein halbes Jahr dauerten die Vorbereitungen für diese Übung unter dem Kürzel „ACT 2018“, die von Beamten aus verschiedenen Bundesländern beobachtet wird. Auch polnische Polizeiführer, die sich mit Terrorbekämpfung befassen, sind vor Ort. Zum Szenario gehört, dass die Brandenburger Polizei in den Morgenstunden des 12. November erfährt, dass eine sechsköpfige islamistische Terrorzelle einen Terroranschlag im Umland von Berlin plant. Ihr Rückzugsort befindet sich in Brandenburg.

Terroristen planten gleich mehrere Anschläge

Aufgabe der Polizei ist es nun, zu ermitteln, wer die Terroristen sind und ob es Anschlagziele gibt. Es gelingt, zwei Verdächtige zu identifizieren. Beamte des mobilen Einsatzkommandos observieren sie und können beobachten, wie die Männer in einem Baumarkt Zubehörteile zum Bau einer Sprengvorrichtung kaufen.

In den Abendstunden des 12. November werden die beiden mutmaßlichen Terroristen dann in einem Haus in Linde (Oberhavel) von Beamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) festgenommen. Ermittler des Landeskriminalamtes (LKA) vernehmen die Männer und erfahren dabei, dass offenbar ein Anschlag auf ein Wasserwerk in Grüneberg (Oberhavel) geplant ist – das Wasser soll vergiftet werden. Noch nicht bekannt ist, wo sich die anderen vier Terroristen aufhalten.

Am 13. November gibt es einen Terroranschlag auf eine Bildungsstätte in Liebenberg (Oberhavel). Polizeibeamten gelingt es bei einem Schusswechsel, zwei Terroristen zu töten. Den nächsten Anschlag gibt es am frühen Nachmittag in der schon erwähnten Hotelanlage am Rande von Bernau. Die Terroristen haben am Ende keine Chance. Zwei Schutzpolizisten, die mit einem Streifenwagen zuerst am Tatort erscheinen, können sie in Schach halten. Einer der Polizisten wird angeschossen.

Übung muss noch ausgewertet werden

Doch als das SEK anrückt, ist alles schnell vorbei. Eine Gruppe stürmt in das untere Geschoss, eine zweite fährt mit einem gepanzerten Fahrzeug, ausgerüstet mit einer Hubleiter, an ein Fenster und dringt so in das Hotel ein. Es gibt einen mächtigen Knall, viele Schüsse sind zu hören. Ein Hubschrauber und eine Drohne sichern aus der Luft den Tatort ab und geben Informationen über eventuelle Bewegungen.

So wird festgestellt, dass einer der Terroristen über einen Hinterausgang versucht zu fliehen. SEK-Beamte stürmen hinterher, erschießen ihn. Am Ende ist auch sein Komplize, der sich noch im Haus aufhielt, außer Gefecht gesetzt.

Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke, der das alles im Beisein von Kollegen und Journalisten beobachtete, gratuliert gleich im Anschluss seinen Beamten. Von drei Toten ist die Rede, zwei Terroristen und einem Hotelgast – was vielleicht etwas großzügig bei den Schüssen gerechnet ist. Ein Fazit will Mörke noch nicht geben. Er betont, dass er bewusst darauf gedrungen hat, dass diese Übung über zwei Tage geht. Getestet werden sollte wie die Übergabe zwischen den Führungsstäben funktioniert. In drei bis vier Wochen soll die Übung ausgewertet sein, und dann werden die Ergebnisse vorgestellt.

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