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Bahnwerk Eberswalde: Vom Pleite-Werk zum Erfolgsmodell

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Gudrun Janicke
Im Bahnwerk Eberswalde werden jetzt unter dem Dach der DESAG Güterwagen gefertigt und instand gehalten

Im Bahnwerk Eberswalde werden jetzt unter dem Dach der DESAG Güterwagen gefertigt und instand gehalten

Foto: imago stock / imago/Jürgen Heinrich

Das Bahnwerk Eberswalde sollte erst geschlossen werden, jetzt werden dringend Mitarbeiter gesucht.

Eberswalde.  Das Damoklesschwert der Schließung und des Verlustes von mehreren Hundert Arbeitsplätzen schwebte monatelang über dem Bahnwerk Eberswalde (Barnim). Die Deutsche Bahn wollte sich von der nördlich von Berlin gelegenen Fabrik trennen, Ende 2016 war die Schließung vorgesehen. Als Grund wurde der Rückgang der Aufträge bei der Instandhaltung von Güterwagen für die Schiene genannt. Der Verlust des wichtigen Arbeitgebers Deutsche Bahn hätte die Stadt Eberswalde tief getroffen. Über Monate hinweg wurde anhaltend gegen die Schließungspläne protestiert.

„Wir hatten von Anbeginn an Interesse angemeldet, kamen aber nicht zum Zuge“, sagt Oliver Wiechmann, Geschäftsführer Schienenfahrzeugbau Wittenberge GmbH. Die Firma ist eine Tochter der Deutsche Eisenbahn Service AG (DESAG). Seit 2015 hatte sich die DESAG um den Eberswalder Fertigungs- und Instandhaltungsbetrieb beworben. Als der Investor, der Anfang 2017 das Bahnwerk Eberswalde übernommen hatte, Insolvenz anmeldete, wurde die DESAG schließlich doch ins Boot geholt. Der Insolvenzverwalter bescheinigte der Unternehmensgruppe, einen ausgewiesenen Hintergrund im Eisenbahngeschäft zu haben.

Zum 1. Januar dieses Jahres übernahm die DESAG-Tochter Schienenfahrzeugbau Wittenberge offiziell das Werk Eberswalde. „Wir haben das Potenzial gesehen“, sagt Wiechmann. Insbesondere das Wissen der Mitarbeiter bei Reparatur und Wartung von Schienenfahrzeugen habe den Ausschlag für das Engagement gegeben.

Bei der Übernahme waren noch 74 Mitarbeiter da, von einst mehr als 300. Mittlerweile wurde auf rund 90 Beschäftigte aufgestockt. Zum Jahresende sollen es 100 bis 120 sein. „Wir suchen aktuell Mechatroniker und Elek­troniker“, sagt Unternehmenssprecherin Longina Hessel. Die höhere Auslastung der Radsatzwerkstatt und die wieder aufgenommene Instandhaltung von Reisezugwagen erfordere mehr Personal.

500 bis 600 Wagen im Jahr durchlaufen das Werk

„Der Kampf um den Erhalt des Bahnwerks Eberswalde hat mir manche schlaflose Nacht bereitet“, sagt Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD). Es habe große Anstrengungen gekostet, die Deutsche Bahn von der geplanten Schließung abzubringen und von einem Verkauf zu überzeugen. Das Übernahmeinteresse der DESAG habe wesentlich dazu beigetragen, dass sich das Land mit seinen Bemühungen um den Erhalt des Industriestandortes durchsetzen konnte.

„Wir konnten mit vielen einstigen Kunden Kontakt aufnehmen, die nun wieder unseren Service nutzen“, sagt Wiechmann. Aus ganz Europa kommen Eisenbahnwagen nun nach Eberswalde: Kesselwagen, Schüttgutwagen und Containerwagen. Wiechmann: „Das ist unser Kerngeschäft.“ Neu aufgenommen in den Leistungskatalog wurde die Wartung von Triebfahrzeugen und Reisezugwagen. Bislang durchlaufen pro Jahr etwa 500 bis 600 Wagen das Werk.

Die DESAG hat insgesamt rund 450 Beschäftigte. Die mittelständische Unternehmensgruppe aus Norddeutschland kümmert sich um Güterverkehr, aber auch um Personenverkehr, der die Prignitz in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und ab September auch Sachsen-Anhalt bedient. Das eigene Schienennetz in den drei Bundesländern umfasst zusammengenommen 400 Kilometer.

„Unser Umsatz ist gut“, sagt Wiechmann, ohne weitere Unternehmenszahlen zu nennen. „Wir wollen Stück für Stück weiterwachsen“, so der Geschäftsführer. „Die Mitarbeiter haben uns ihr Vertrauen geschenkt und wir werden auch wieder ausbilden.“ In manchen der Bahnwerker-Familien gehört bereits die dritte Generation der Belegschaft an.

Bahn behält ihre übrigen zwei Werke in Brandenburg

Kunden des Bahnwerks Eberswalde sind Eisenbahnunternehmen aus Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz. Aktuell wird für den Standort die Investition in eine neue Kesselwagenreinigungsanlage geprüft.

Die Deutsche Bahn hat bundesweit heute noch zwölf Bahnwerke. Für Brandenburg sind das die Standorte Cottbus und Wittenberge. Nach dem neuen Konzept für die Fahrzeuginstandhaltung wird nach DB-Angaben auf die Schließung weiterer Werke verzichtet. Sie sollen jedoch für die Zukunft vorbereitet werden: Es geht um mehr Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit. Betriebsbedingte Kündigungen sollen nicht ausgesprochen werden, sagt ein Bahn-Sprecher.

Im Bahnwerk Wittenberge gibt es 700 Mitarbeiter und 40 Auszubildende. Dort werden unter anderem Doppelstockwagen und Straßenbahnen gewartet. Im Bahn-Werk Cottbus mit etwa 500 Mitarbeitern sind die Reparatur und Instandhaltung von Dieselloks und ihrer Bestandteile die Hauptaufgabe. Geplant ist hier eine neue Produktionshalle. Ab 2021 soll sich der Standort auf Diesel- und Hybridloks konzentrieren.

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