Döberitzer Heide

Klimawandel: Monsterbienen im Anflug auf Brandenburg

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Jens Anker
Hannes Petrischak  ist der Bienenexperte der Sielmann-Stiftung in der Döberitzer Heide

Hannes Petrischak ist der Bienenexperte der Sielmann-Stiftung in der Döberitzer Heide

Foto: Maurizio Gambarini

Die Holzbiene ist in den Tropen heimisch. Wegen des Klimawandels breitet sie sich aus – sogar bis in die Döberitzer Heide.

Döberitzer Heide.  Wer sich auf die Suche nach Wildbienen machen will, der sollte zunächst den Kopf senken. Was gemeinhin als Eingang in einen Ameisenbau angesehen wird, entpuppt sich häufig als Wildbienennest. „Wildbienen lieben offene Sandböden“, sagt Hannes Petrischak, Biologe und Wildbienenexperte bei der Heinz-Sielmann-Stiftung in der Döberitzer Heide. Doch an diesem Vormittag interessieren die Besucher in der Heidelandschaft westlich Berlins nicht so sehr die vielen Arten der Sandbienen, die dort umherfliegen, sondern ein eher seltenes Exemplar: die Blauschwarze Holzbiene, die größte Biene Deutschlands. Sie wird bis zu drei Zentimeter groß, ist tiefschwarz gefärbt, und im Sonnenlicht schimmern Körper und Flügel bläulich. „Viele halten sie für eine Hornisse, wenn sie sie sehen“, sagt Petrischak.

Die Holzbiene ist ursprünglich in den Tropen und Subtropen heimisch und hat sich wegen des Klimawandels in den vergangenen Jahren immer weiter nach Norden ausgebreitet. Jetzt kommt die Monsterbiene auch in Brandenburg vor. Sie zu entdecken, ist aber nicht leicht. „Die Holzbiene ist ein Einzelgänger und sehr scheu“, sagt Petrischak. Außerdem begibt sie sich auf ausgiebige Flüge, um den Nektar zu saugen. Es gehört Geduld dazu, ein Exemplar zu Gesicht zu bekommen.

Blauschwarze Holzbienen sind aus mehreren Gründen bemerkenswert. Sie bohren fingerdicke, etwa 20 Zentimeter lange Gänge in totes Holz. „Es darf aber nicht zu weich sein, totes Holz von Obstbäumen ist gut“, sagt Petrischak, der sich als Biologe bei der Sielmann-Stiftung vor allem um die Lebensräume von Schmetterlingen und Wildbienen kümmert. Dort legen sie im Mai die Eier in Pollensäcken ab, schon im Juli schlüpft der Nachwuchs. „Es sind die einzigen Wildbienen, bei denen mehrere Generationen gleichzeitig leben“, sagt Petrischak. Bei anderen Arten schlüpft der Nachwuchs erst im folgenden Frühjahr, während die Eltern bereits im Spätherbst sterben.

„Sie könnte stechen, ist aber furchtsam und flieht eher“

Wie alle Bienen verfügt auch die Holzbiene über einen Stachel, von ihr geht jedoch laut Petrischak keine Gefahr aus. „Sie könnte stechen, ist aber sehr furchtsam und flieht eher, als dass sie angreift.“ Das gelte für die allermeisten Wildbienen – denn anders als die Honigbiene hat sie kein ganzes Volk zu verteidigen, erklärt der Bienenexperte beim Marsch durch die Heide und zeigt auf eine kleine Blutbiene, die gerade nach einem fremden Nest sucht, in das sie ihre Eier ablegen kann. Es gibt viele Kuckucksbienenarten, die kein eigenes Nest bauen, sondern sich den Nachwuchs von anderen Arten aufziehen lassen. Und selbst wenn eine Wildbiene einmal zusticht, dann ist das weniger schmerzhaft als gedacht. Das Gift der heimischen Wildbienen, sofern sie mit ihrem Stachel die menschliche Haut überhaupt durchdringen können, ist viel schwächer als das der Honigbiene.

Mit elf Monaten Lebensdauer gehört die Holzbiene zudem zu den langlebigsten Insekten. Auch Hobbygärtner können sie anlocken. Dazu empfiehlt Petrischak, Totholz im Garten aufzustellen und Pflanzen mit großen Blüten und viel Nektar in der Nähe anzupflanzen. Wegen ihrer Größe benötigt die Holzbiene auch deutlich mehr Nektar als andere kleinere Artgenossen. Im Winter verkriecht sich die Holzbiene in den von ihr gegrabenen Gängen in den Baumstämmen oder Ästen und verschließt den Eingang mit einem Holzspäne-Speichel-Brei.

Insgesamt 560 verschiedene Bienenarten sind weltweit bekannt, davon leben rund 200 in der Döberitzer Heide. Wie viele es genau sind, wird derzeit durch ein Bienen-Monitoring ermittelt. In den vergangenen Jahren hat sich die Landschaft stark verändert, sodass möglicherweise neue Arten hinzugekommen sind, wie in jüngster Zeit eben auch die Blauschwarze Holzbiene. Andere Arten sind möglicherweise ausgestorben. Die Hälfte aller Wildbienenarten steht auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten.

Umso mehr bemüht sich die Sielmann-Stiftung, die Lebensräume der Bienen zu erhalten: offene, sandige Böden, Heidekraut und Wildblumenwiesen. In der Döberitzer Heide ist deshalb vom allgemeinen Insektensterben nichts zu bemerken. Im Gegenteil: Besonders stolz ist Bienenexperte Petrischak darauf, dass sich auf dem Gelände alle vier Heidebienenarten angesiedelt haben. Teilweise galten die Arten in Deutschland bereits als ausgestorben, heute brummen sie wieder durch die Landschaft.

An diesem Vormittag zeigt sich die Holzbiene besonders scheu. Vielleicht liegt es daran, dass zurzeit der Ginster in der Heidelandschaft blüht – und den mag die Holzbiene nicht. Wer sich mit Hannes Petrischak auf die Suche nach der Blauschwarzen Holzbiene begeben will, hat dazu am 26. Mai die Gelegenheit. Dann lädt er zur nächsten Bienen- und Insekten-Safari in die Döberitzer Heide. Vielleicht gelingt dabei auch ein Blick auf eine Flockenblumen-Langhornbiene, die der Biologe gerade auf dem Gelände neu entdeckt hat – die natürlich nicht mit der Flockenblumen-Löcherbiene zu verwechseln ist.

Informationen zu den Führungen unter: www.sielmann-stiftung.de