Im Rathaus der Landeshauptstadt ist ein neuer Korruptionsverdacht aufgetaucht. Am Dienstag durchsuchten Beamte der Staatsanwaltschaft Neuruppin Räume der Stadtverwaltung und befragten Mitarbeiter. Das Rathaus hatte nach Hinweisen auf eine mögliche Vorteilsnahme die Strafverfolgungsbehörde selbst eingeschaltet. „Es ist in unserem Interesse, dass die Vorwürfe unverzüglich und umfassend aufgeklärt werden“, sagte Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD).
Ein leitender Mitarbeiter der Bauabteilung steht im Verdacht, Vorteile daraus gezogen zu haben, dass er nicht gegen einen illegalen Bau vorgegangen ist. Demnach hatte er Kenntnis von einem Schwarzbau, ließ den Bauherren aber gewähren und zog im Gegenzug offenbar Vorteile daraus. Um welchen Bau es sich handelt und welche Vorteile der Mitarbeiter genau bezogen hat, wollte die Staatsanwaltschaft vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlungen nicht mitteilen. Die Strafverfolgungsbehörde stünde erst am Anfang, hieß es.
Möglicherweise sind weitere Mitarbeiter in den Vorfall verwickelt. Nach Informationen der Berliner Morgenpost handelt es sich um einen landwirtschaftlichen Bau außerhalb des Stadtzentrums, der inzwischen fertiggestellt ist.
Ein anonymer Hinweis brachte sie auf die Verwaltung auf die Spur
Die Stadt, die Antikorruptionsbeauftragte und der Ombudsmann der Verwaltung waren Mitte Dezember durch anonyme Hinweise auf den Fall aufmerksam gemacht worden. „Da der Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt werden konnte, informierte der Ombudsmann vorsorglich im Auftrag der Stadt Ende Januar die Staatsanwaltschaft“, sagte der Sprecher der Stadt, Stefan Schulz, am Mittwoch. Jakobs sicherte der Behörde vollständige Kooperation zu. Unklar ist offenbar, um welche Leistungen es sich gehandelt hat und warum niemand den Vorgang in der Verwaltung mitbekam.
Deswegen will die Verwaltung die Arbeitsabläufe überprüfen. „Sollte in diesem Zusammenhang persönliches Fehlverhalten in der Verwaltung festgestellt werden, werde dies disziplinarisch geahndet“, sagte Schulz. Der Mitarbeiter ist bis auf Weiteres beurlaubt. Die Landeshauptstadt beauftragt zudem eine externe Rechtsanwaltskanzlei, die den Sachverhalt gemeinsam und in enger Abstimmung mit den Ermittlungsbehörden aufklären soll.
Erst im November vergangenen Jahres war das Ermittlungsverfahren gegen eine Sachbearbeiterin des Sozialbereichs im Potsdamer Rathaus wegen des Verdachts der Bestechlichkeit eingestellt worden. Laut Staatsanwaltschaft ergab sich kein hinreichender Tatverdacht. Die Frau stand im Verdacht, gegen Geldzahlung Bescheinigungen, darunter Wohnberechtigungsscheine für Flüchtlinge, ausgestellt zu haben. Dieser Verdacht erhärtete sich aber nicht. Auch ein zweiter Fall der „versuchten Bestechung von Mitarbeitern“ in der Sozialabteilung wurde mangels hinreichendem Tatverdacht eingestellt. Im vergangenen Jahr ermittelte die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Neuruppin auch gegen einen Mitarbeiter der Bauverwaltung. Er soll sich auf Einladung einer Firma einen Segeltörn bezahlen haben lassen. Das Verfahren wurde gegen eine Zahlung von 300 Euro eingestellt.
Seit September 2015 ist der Rechtsanwalt Rainer Frank als externer Ombudsmann gegen Korruption in Potsdam tätig. Er ist Strafrechtsexperte und leitet die Arbeitsgemeinschaft „Hinweisgeber“ bei der Anti-Korruptions-Organisation Transparency Deutschland International. Frank unterliegt der anwaltlichen Schweigepflicht, sodass Hinweisgeber sich bei ihm vertraulich melden können.
Zwölf Hinweise auf Korruption gehen pro Jahr ein
Insgesamt gehen bei der Antikorruptionsbeauftragten und dem Ombudsmann pro Jahr rund zwölf Hinweise ein. Die allermeisten davon erweisen sich als unbegründet. Jeweils zwei wurden in den vergangenen Jahren an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.
Zwei Hinweise führten dazu, dass die Dienstanweisung zur Korruptionsprävention ergänzt wurden. Dabei ging es um Klarstellungen bei der Beauftragung von Firmen und die Meldepflicht von Nebentätigkeiten der Rathaus-Mitarbeiter. Den aktuellen Fall will die Potsdamer Verwaltung nutzen, um zu überprüfen, „ob es strukturelle Defizite“ gibt, kündigte Potsdams Sprecher Schulz an.
Seit dem Jahr 2000 besteht die Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung in Neuruppin. Anders als in anderen Bundesländern, befasst sie sich vor allem mit Korruptionsvorwürfen gegen die Verwaltung. Nur 15 Prozent der Fälle betreffen Vorgänge in der freien Wirtschaft. In anderen Bundesländern sind es in der Regel zwei Drittel.