Potsdam. Das Beiprogramm war passend gewählt: Zum Richtfest für 95 neue Wohnungen am Tiroler Damm in Potsdam blies ein Musiker auf einem selbstgebauten Alphorn. Es war das zweite Richtfest in dem Stadtquartier innerhalb weniger Tage. Allein in diesem Jahr will die Wohnungsbaugesellschaft Pro Potsdam 600 Wohnungen in der Landeshauptstadt fertigstellen. Der Wohnungsbau in Potsdam boomt.
„Das Quartier am Tiroler Damm ist ein wichtiger Meilenstein für unser Neubauprogramm“, sagt Pro-Potsdam-Geschäftsführer, Bert Nicke. „Bis 2027 wollen wir insgesamt 2500 Wohnungen in Potsdam bauen, 1000 davon gefördert.“ Nach Angaben des Verbandes der Berlin-Brandenburger Wohnungsunternehmen (BBU) liegt die Landeshauptstadt im Bundesvergleich vorn. Je 1000 Einwohner stellt Potsdam 9,4 Wohnungen pro Jahr fertig, in Berlin (3,7) und Hamburg (4,1) sind es weniger als halb so viel.
Die Zahlen sind nach Angaben des BBU nicht überraschend. „Potsdam hat schon frühzeitig viel richtig gemacht, beispielsweise durch die frühzeitige Priorisierung des Neubaus durch die Stadtführung und die Sensibilisierung der gesamten Verwaltung für dieses Thema“, sagt BBU-Chefin Maren Kern. „Deshalb gibt es in Potsdam im Unterschied zu Berlin eine deutlich ausgeprägtere Willkommenskultur für Wachstum und Neubau.“ Bemerkenswert ist nach Ansicht des BBU dabei, dass neun von zehn in Potsdam neu gebauten Wohnungen Mietwohnungen sind (92 Prozent). Die Quote liegt deutlich über dem Anteil in anderen Städten wie Berlin (58 Prozent) und Hamburg (68 Prozent).
Auch die Wohnungsbaugesellschaft Pro Potsdam sieht die Landeshauptstadt gegenüber Berlin mit einem zeitlichen Vorsprung ausgestattet. „Der große Unterschied ist die strategische Herangehensweise“, sagt Pro-Potsdam-Chef Nicke. „Potsdam hat die Entwicklung nie infrage gestellt und die Vorbereitungen teilweise schon vor zehn Jahren begonnen.“ Davon profitiere die Stadt jetzt.
Gleichzeitig hat die Stadt alle Beteiligten unter dem Dach von Pro Potsdam zusammengeführt, sodass es keinen Wettbewerb um Baugrundstücke gibt. „So wird sichergestellt, dass auch umgesetzt wird, was beschlossen wird“, sagt Nicke.
Schon frühzeitig hat die Stadt das Neubaupotenzial ermittelt. Dabei sind Grundstücke für 16.000 neue Wohnungen festgestellt worden, die jetzt nach und nach bebaut werden. Das größte davon liegt im Norden der Stadt. In Krampnitz unweit des Berliner Stadtteils Kladow sollen in den kommenden zehn Jahren bis zu 7000 neue Wohnungen entstehen, zum großen Teil öffentlich gefördert und damit auch mietpreisgebunden.
Von den 600 Wohnungen, die die Stadt in diesem Jahr fertigstellt, sind nach Angaben von Pro Potsdam 75 Prozent gefördert, sie werden künftig für Mieter mit Wohnberechtigungsschein (WBS) reserviert, die je nach Einkommen 5,50 bis 7 Euro pro Quadratmeter Miete zahlen – ein entscheidender Grund dafür, dass Potsdam zu den am schnellsten wachsenden Städten zählt. Die Prognosen gehen davon aus, dass die Bevölkerung von derzeit 180.000 in den kommenden zwölf Jahren auf 220.000 anwächst.
Alte Militärflächen werdenfür Wohnungsbau genutzt
Potsdam kommt dabei zugute, dass es als ehemalige Garnison- und Militärstadt über große ehemalige Kasernenanlagen verfügt. In Krampnitz befand sich die ehemalige Heeres-Reitschule, später waren hier Panzertruppen stationiert. Die Kasernen werden zu modernen Wohnungen umgebaut und durch weitere Gebäude ergänzt.
Der Potsdamer Neubauboom im Vergleich zu Berlin ist laut BBU aber nicht nur auf die gemeinsame Anstrengung in der Verwaltung zurückzuführen, sondern auch auf die Strukturen. „Im Unterschied zu Berlin handelt es sich in Potsdam um eine Einheitsgemeinde, entsprechend finden sich hier nicht die in Berlin bestehenden unterschiedlichen und in der Praxis nicht immer klaren Schichten von unterschiedlichen Zuständigkeiten von Bezirk und Senat“, sagt BBU-Chefin Kern. Der BBU schlägt deshalb vor, die Kompetenzen in Berlin neu und vor allem klarer zu verteilen, um den Wohnungsneubau zu beschleunigen.
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