Potsdam

Sperre droht: SV Babelsberg 03 wehrt sich

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Jens Anker
Ausschreitungen beim Spiel zwischen dem  SV Babelsberg 03 und Energie Cottbus  am 28.04.2017

Ausschreitungen beim Spiel zwischen dem SV Babelsberg 03 und Energie Cottbus am 28.04.2017

Foto: pa

Der Streit zwischen dem Regionalligisten SV Babelsberg 03 und dem Nordostdeutschen Fußballverband wird zum Politikum.

Potsdam.  Kurz vor dem Abflug nach Moskau schlug Rainer Milkoreit doch noch versöhnliche Töne an. „Wir sind gewillt, eine vernünftige Lösung zu finden“, sagte der Präsident des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV), bevor er mit der Traditionself des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ins Austragungsland der Weltmeisterschaft nach Russland reiste. „Wir wollen deeskalierend wirken.“

Das hat sich in den vergangenen Monaten schon ganz anders angehört. Seit Monaten schwelt ein Streit zwischen dem Fußballverein SV Babelsberg 03 und dem Verband. Dabei geht es um Strafen des Sportgerichts gegen Babelsberg und Energie Cottbus. Die Babelsberger fühlen sich vom Sportgericht ungerecht behandelt, der Verband drohte mit dem Ausschluss der 1. Mannschaft vom Spielbetrieb in der Regionalliga – ein einmaliger Vorgang. Die Angelegenheit beschäftigt inzwischen auch DFB-Präsident Reinhard Grindel und Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD).

Die Problemlage ist vielschichtig. Sie entzündete sich am 28. April vergangenen Jahres, als Babelsberg im heimischen Karl-Liebknecht-Stadion in der Regionalliga auf Energie Cottbus traf. Cottbuser Anhänger riefen Nazi-Parolen, zeigten den Hitlergruß und stürmten teilweise den Platz. Beide Fanlager brannten Pyrotechnik ab. Das Spiel stand mehrfach vor dem Abbruch. Cottbus wurde deshalb zu einer Geldstrafe von 10.000 Euro verurteilt, wegen Vergehen der Fans bei anderen Partien zusätzlich zu noch einmal 6000 Euro. Babelsberg sollte nach dem Willen des Sportgerichts 7000 Euro Strafe zahlen.

Cottbus legte Widerspruch ein, die Strafe für das Babelsberg-Spiel wurde auf 6000 Euro reduziert, den Einspruch der Babelsberger wies das Gericht ab. Nach dem Empfinden der Babelsberger eine riesige Ungerechtigkeit. Zumal in der Urteilsbegründung die Nazi-Parolen der Cottbuser unerwähnt blieben, während die als Reaktion darauf erfolgten Nazi-raus-Rufe der Babelsberger in das Strafmaß mit einflossen.

Der Deutsche Fußball-Bund schaltete sich in den Streit ein

Seitdem eskaliert der Streit. Auf Veranlassung von DFB-Chef Grindel wurden neue Ermittlungen angestellt und Cottbus wegen der Nazi-Parolen zunächst zu einer weiteren Geldstrafe verurteilt, der Berufung dagegen wurde allerdings vollständig stattgegeben, die Strafe wieder zurückgenommen. Der Fall liegt zurzeit beim DFB-Bundesgericht. Und weil Babelsberg sich weigert, die aus ihrer Sicht unverhältnismäßig hohe Geldstrafe zu zahlen, droht der Verband damit, die Mannschaft mit einer Spielsperre zu belegen.

Archibald Horlitz versteht das Urteil heute immer noch nicht. „Wir sollen verurteilt werden, weil wir uns gegen Rassismus und Antisemitismus wenden“, sagte der Präsident von Babelsberg 03. „Ich frage mich, was den NOFV reitet.“ Horlitz ärgert vor allem, dass der Verein zu keiner Zeit angehört wurde. In einem Brief an den NOFV hat der Verein seine Bereitschaft erneuert, sich mit den Verantwortlichen an einen Tisch zu setzen. „Wenn wir die Argumente austauschen, kann ich mir nicht vorstellen, dass wir für das fehlerhafte Verhalten verurteilt werden“, sagte Horlitz.

Am vergangenen Freitag endete die Zahlungsfrist für Babelsberg. Der Verein zahlte nicht. Nun will der Verband voraussichtlich an diesem Donnerstag seine Entscheidung bekannt geben, ob eine Sperre gegen Babelsberg eingeleitet wird. „Bis dahin gibt es keine Verlautbarungen“, sagte Verbands-Geschäftsführer Holger Fuchs. NOFV-Präsident Milkoreit sieht noch eine Möglichkeit, die Angelegenheit einvernehmlich zu lösen. „Wenn alle Seiten sachlich und logisch miteinander umgehen, ist was machbar“, sagte er. „Dazu müssen aber alle bereit sein und nicht immer neue Attacken reiten.“

Verein hat Widerstand mobilisiert

Damit ist Babelsberg 03 gemeint. Denn der Verein hat massiven Widerstand mobilisiert, offene Briefe geschrieben und prangert den Nordostdeutschen Fußballverband an. Ist der NOFV etwa auf dem rechten Auge blind? Dass der DFB jetzt schon zum zweiten Mal gegen eine Entscheidung des regionalen Fußballverbandes vorgeht, erweckt den Eindruck. „Nur in absoluten Ausnahmefällen hat der Kontrollausschuss des DFB das Recht, Verbandsgerichtsentscheidungen der Landes- und Regionalverbände vor dem DFB-Bundesgericht überprüfen zu lassen“, sagte DFB-Chefjustiziar Rainer Koch. „Dies gilt insbesondere dann, wenn rassistisches Verhalten ungeahndet bleibt. Dies ist im Verfahren gegen Energie Cottbus der Fall.“ Deutliche Worte aus der Zentrale des DFB in Frankfurt/Main.

Aus ganz Deutschland sind inzwischen Solidaritätsadressen für die Babelsberger eingetroffen, vom FC Freiburg bis St. Pauli. Und auch der Potsdamer Oberbürgermeister unterstützt die Babelsberger. „Die Drohung, den SV Babelsberg 03 vom Spielbetrieb auszuschließen, ist vollkommen unangemessen“, sagte Jann Jakobs der Berliner Morgenpost. „Im Gegenteil, am Ende könnten sich die rechte Szene und Nazi-Gruppen ermuntert fühlen“, befürchtet er. „Das ist nicht im Sinne des Deutschen Fußball-Bundes, daher sollte der NOFV noch einmal in sich gehen.“