Caputh. Die Diagnose kam im April 2014: Krebs. Unheilbar. Knut Karus blieben nur noch wenige Monate. Zu wenig Zeit, um einen Nachfolger für sein Geschäft in Caputh und die Filiale in Potsdam zu finden. Einer Bäckerei, die sein Großvater Willi 1934 in Caputh eröffnete. „Ich habe meinem Vater auf dem Sterbebett versprochen, dass sein Laden nicht stirbt“, sagt Tochter Cornelia Ehrt mit Tränen in den Augen. Doch sie ist gescheitert. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht. An der Ladentür hat die 35-Jährige einen Zettel angebracht. Der informiert die Kunden, dass die Traditionsbäckerei nach mehr als 80 Jahren schließt. Es sei an der Zeit, „der Realität ins Auge zu schauen“. Am 24. Dezember ist Schluss. „Damit unsere Kunden wenigstens zu Weihnachten noch von uns mit Brötchen und Broten, Kuchen, Torten und Gebäck versorgt werden.“
Stammkunden suchen mit, aber bislang ohne Erfolg
Elf Mitarbeiter haben ihre Kündigungen längst erhalten. Und das trotz der wohl ungewöhnlichsten Hilfsaktion im 5.000-Seelen-Ortsteil der Gemeinde Schwielowsee. Weil die Menschen in Caputh und Umgebung nicht auf die beliebten Kreationen der Bäckerei und Konditorei Karus verzichten wollen, unterstützt die Stammkundschaft die Suche nach einem Nachfolger medial. „Brot für Caputh“ heißt die Hilfsaktion, die seit Wochen auf Facebook und Twitter läuft – und auch nach der Schließung des Geschäfts weiterlaufen wird. „Wer will diesen Traditionsbetrieb übernehmen?“, lautet die große Frage. Eine Initiative, die Cornelia Ehrt noch immer berührt. Dass ihr so viele Caputher helfen wollen, hatte sie nicht erwartet.
„Brot für Caputh“
Im Handwerkskammerheft und in der Bäckerzeitschrift schaltete sie Anzeigen, verteilte außerdem in der Umgebung Handzettel. Ohne Erfolg. „Interessenten gab es durchaus“, erzählt sie. Insbesondere der Aufruf in den sozialen Medien sei auf Resonanz gestoßen. Einige kamen vorbei, schauten sich im 180 Quadratmeter großen Haus mit Backstube, Café und Wohnung um – und kapitulierten. „Den einen war das zu klein, den anderen zu groß. Junge Leute bekamen keinen Kredit, Quereinsteiger wurden unsicher.“ Die Bäckerfamilie hatte noch kurz vor dem Tod des Meisters investiert und die Backstube mit modernen Geräten ausgestattet.
Warum will niemand, fragt sich Ehrt. „Keine Lust aufs große Team oder auf die Lieferkunden“, kann sie nur mutmaßen. Zu denen zählen immerhin Hotels, Kitas, das Pflegeheim in Ferch und das Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam. „Wir sind offen, gehen auf jeden zu“, sagt die junge Frau, die das väterliche Geschäft seit dessen Tod nebenbei geleitet hat. Nur wenige Meter vom Hauptsitz der Bäckerei entfernt führt die zweifache Mutter ihren Friseursalon. Sie hockt zwischen Spiegeln und roten Stühlen, das Telefon klingelt pausenlos, mal geht es um die Bäckerei, mal wollen Kunden einen Termin für einen Haarschnitt oder eine Dauerwelle vereinbaren.
Geschlafen hat Cornelia Ehrt in den vergangenen Wochen wenig. Es könne doch nicht sein, dass das Lebenswerk von Knut Karus, dessen Laden die Wende überlebte, nun zerstört werde. Kurz hatte die Friseurmeisterin überlegt, selbst aufs Bäckerhandwerk umzuschulen. Ihr Bruder Michael ist Bäckermeister, kann den Beruf wegen einer Mehlstauballergie aber nicht mehr ausüben.
Vera Karl reicht einen Laib Brot über den Tresen. Seit 35 Jahren arbeitet sie für die Bäckerei Karus. Ein einziges Mal sei sie in all den Jahren krank gewesen. Nur eine Woche. „Wir sind doch eine Familie“, sagt sie und meint nicht nur ihre Kollegen, sondern auch die Kunden. Ein Sechsjähriger hat bei ihr das Rezept für die Weihnachtsplätzchen geordert, als er von der Schließung der Traditionsbackstube hörte. „Weil die Kekse so lecker sind“ und er sie immer zu Weihnachten bekommen habe.
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