Es war ein pikanter Deal, den die DDR mitten im Kalten Krieg einfädelte. Zahlreiche Schätze, darunter Bilder des Malers Otto Dix, wurden über Moskau in die USA verschifft. Amerikanische Kunsthändler zahlten das, was die in Geldnot geratene Diktatur so dringend brauchte: Devisen.
Der Kunsthistoriker David D’Arcy hat die Begebenheiten dieses Tauschhandels recherchiert. Er ist aus New York nach Potsdam gereist, um an der Konferenz „Kunst gegen Valuta“ teilzunehmen. Er will am Dienstag von seinen Nachforschungen berichten. D’Arcy ist aber nur einer von rund 70 Teilnehmern, die das Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ) eingeladen hat, um über den staatlichen Ausverkauf von Kulturgütern in der DDR zu debattieren. Zeitzeugen, Anwälte und Historiker drängen auf eine schnelle Aufarbeitung dieses völlig vernachlässigten Geschichtskapitels.
Kunst-Ausverkauf muss aufgearbeitet werden
„Der Verkauf steht in der Kontinuitätslinie mit dem systematischen Entzug von Kulturgütern in der NS-Zeit“, sagt MMZ-Direktor Julius H. Schoeps. Der Ausverkauf der vielen Kunst und Antiquitäten in der DDR müsse endlich in den Fokus rücken und aufgearbeitet werden. „Wir müssen uns fragen, wie wir mit diesem zweifelhaften Erbe umgehen“, sagt Schoeps. Im Mittelpunkt der Konferenz soll der deutsch-deutsche Kunsttransfer stehen – teilweise wurden ganze Bibliotheken von Ost nach West verkauft.
Auch über das Schicksal der privaten Sammler, das Verhalten der Museen und über Rechtsfragen soll diskutiert werden.
Der Ausverkauf von Kulturgütern verlief in der DDR nach Plan. 1973 wurde die Kunst und Antiquitäten GmbH gegründet, um solche Tauschgeschäfte durchzuführen. Um an Waren zu gelangen, verlangte der Staat von den Museen, auf einen Schlag Kunstgegenstände im Wert von 55 Millionen D-Mark für den Export bereitzustellen – nicht wenige verweigerten die Zusammenarbeit.
Reißenden Absatz in Westeuropa
Ins Visier der Devisenbeschaffer rückten auch private Sammler und Antiquitätenhändler. Im für den Besitzer günstigsten Fall wurden Wertgegenstände aufgekauft. Viele Händler wurden aber Opfer fingierter Steuerverfahren, an deren Ende die Übernahme ganzer Sammlungen durch die DDR-Behörden stand. Unkontrolliert über die Grenze gebracht, fand die Ware aus dem Osten reißenden Absatz in Westeuropa und Übersee.
Seit den 70er-Jahren wurde systematisch Kunst gegen Devisen getauscht. Bilder, Zinnsoldaten, Porzellan, Handschriften und große Antiquariate seien teilweise oft weit unter Wert verkauft worden. Laut Schoeps ist noch gar nicht klar, wo die vielen Kulturgüter nun sind. Das MMZ fordert, die genauen Begebenheiten zu rekonstruieren, so wie es der Kunsthistoriker David D’Arcy vorgemacht hat. Das MMZ plädiert dafür, dass alte Eigentümer und ihre ehemaligen Schätze ins Lost Art Register aufgenommen werden. Dieses Online-Archiv dient der Erfassung von Kulturgütern, die von den Nazis beschlagnahmt wurden.
Ziel der Tagung ist es, die sogenannte Provenienzrecherche anzustoßen. Studenten, Doktoranden und Professoren könnten die Herkunft und Geschichte von Kulturgegenständen versuchen aufzuklären. Das MMZ hofft, dass Kulturstaatsminister Bernd Neumann Mittel bereitstellen wird.
Kein rechtlicher Anspruch auf verschollene Kunst
Laut Schoeps könnte schnell eine Debatte über die Rückforderung der einst verloren gegangenen Schätze entstehen, sobald Nachforschungen angestellt würden. Damit müssten sich dann auch Museen in Berlin und Brandenburg auseinandersetzen. „Wir müssen die Rechtslage klären“, sagt er. Bislang gebe es vermutlich keinen rechtlichen Anspruch mehr auf verschollene Kunstgegenstände. „Ich finde aber, dass mindestens ein moralischer Anspruch auf verloren gegangene Schätze besteht.“
Die Tagung hat am Sonntag begonnen und wird am Montag und Dienstag fortgesetzt. Tagungsort ist das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Kutschstall, Am Neuen Markt 9, 14467 Potsdam. Information und Anmeldung unter Tel. 0331/28 094-0.