Nach Anfang der vergangenen Woche hatte sich Rainer Speer gegen eine schnelle Niederlegung seines SPD-Landtagsmandats gewehrt. Am Sonntag gab er nach. Doch für ihn ist die Sache damit noch nicht ausgestanden.
Ihm ist keine andere Wahl mehr geblieben: Ex-Minister Rainer Speer hat am Sonntag in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz erklärt, dass er sein SPD-Landtagsmandat zum Jahresende niederlegen wird. Eigentlich wollte er dies erst nach Weihnachten entscheiden. Doch der Druck war zu groß. Anfang vergangener Woche hatte ihn sein langjähriger Weggefährte, Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), öffentlich aufgefordert, das Mandat niederzulegen. Speer war entsetzt, wollte sich Zeit nehmen - und gab dann doch nach.
Damit geht eine große politische Karriere in Brandenburg zu Ende, wenn auch noch nicht die Affäre Speer. Rainer Speer gehörte kurz nach der Wende, im November 1989, zu den Mitbegründern der Sozialdemokratischen Partei, der SDP, die dann in der SPD aufging. Und er blieb der Politik treu - von 1990 bis 1994 arbeitete er unter dem damaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) in der Staatskanzlei, dann er wechselte er als Staatssekretär ins Umweltministerium unter Matthias Platzeck. Die beiden Männer, so unterschiedlich sie sind, waren nicht nur politische Weggefährten, sondern auch privat befreundet. 1999 wurde Speer Chef der Staatskanzlei, unter Ministerpräsident Platzeck dann ab dem Jahr 2004 Finanzminister. Nach der letzten Landtagswahl erfüllte sich Speers Traum: Er wurde Innenminister des Landes und galt nun endgültig als Kronprinz, als der Mann, der Platzeck einmal als Ministerpräsident nachfolgen könnte. Wären da dann nicht Speers Laptop verschwunden und viele alte E-Mails in den Medien aufgetaucht, wären da nicht die ehemalige Geliebte und ein inzwischen 13-jähriges Kind, für das Speer keinen Unterhalt zahlte, wäre da nicht die Affäre um das Kasernengelände Krampnitz.
Unterhalt für das Kind nachgezahlt
Platzeck hatte Speer zunächst den Rücken frei gehalten. Er hielt an dem 51 Jahre alten Freund fest, als dieser wegen des Krampnitz-Deals schon in der Kritik stand und die Sache nicht aufklären konnte. Ende September trat Speer dann von seinem Amt als Innenminister zurück - mit der Begründung, er wolle Schaden abwenden. Platzeck ließ noch immer nichts auf ihn kommen. Doch dann, am 26. November, räumte Speer in einem Zeitungsinterview ein, dass er der Vater des unehelichen Kindes sei. Dies habe ein Vaterschaftstest ergeben, er habe den Unterhalt, den seine ehemalige Geliebte vom Staat bezogen hatte, zurückgezahlt. Die Frage, warum er in den vergangenen Jahren der Frau immer mal wieder Geld gegeben hatte, obwohl er doch nach eigenen Angaben nichts von einer Vaterschaft wusste, konnte Speer in dem Interview nicht beantworten. Und dann war da ja noch die Sache mit der Verbeamtung der Frau. Die Staatskanzlei prüft seit einigen Tagen den Vorwurf, dass Speer - damals Chef der Staatskanzlei - bei der Verbeamtung seiner Ex-Geliebten befangen war.
Für Platzeck war mit diesem Interview Schluss. Zumal die Speer-Affäre, die immer neuen Berichte in den Medien, die rot-rote Landesregierung seit Wochen lähmen. Weil Speer nicht freiwillig aus dem Landtag ausscheiden wollte, drängte Platzeck ihn dann öffentlich. Aber Speer brüskierte den Ministerpräsidenten. Er weigerte sich, das Mandat abzugeben - bis zum gestrigen Sonntag.
Und Platzeck, der sich nun, wenn auch mit Schwierigkeiten, durchgesetzt hat, stand dem 51-Jährigen bei. Er kam am Sonntag zur Pressekonferenz und begrüßte die Entscheidung: "Es ist der richtige Schritt. Er schafft Freiraum für Gestaltungsmöglichkeiten." Schließlich habe die brandenburgische SPD einen Gestaltungsauftrag, den die öffentliche Debatte in den vergangenen Wochen behindert habe. Der zuletzt erreichte Zustand sei nicht länger hinnehmbar gewesen. Und Platzeck erwies sich als netter Parteifreund: Er lobte Speers Beitrag zur brandenburgischen Politik, er sagte, Speer habe als Finanzminister zwei ausgeglichene Landeshaushalte vorgelegt. Und was tat Speer? Er sagte, sichtlich angeschlagen, er übernehme die Verantwortung für seine Fehler in der Vergangenheit. Und er bat alle um Verzeihung, die er getäuscht habe. Speer sagte, dass er sich nunmehr auch aus der zweiten Reihe der Politik zurückziehe, nachdem ihn einige Fragen ins Herz getroffen hätten. Dazu zähle die Frage, ob er wirklich nicht bei der Stasi gewesen sei. "Da bin ich schon ein wenig weich geschossen", sagte der SPD-Mann.
Der Koalitionspartner der SPD begrüßte Speers Rückzug. Erwartungsgemäß, war doch auch die Linke in den vergangenen Wochen blockiert. Speer habe nun die politischen Konsequenzen aus seinem Privatleben gezogen, sagte die Linken-Fraktionschefin Kerstin Kaiser. "Speer und seine Partei haben damit den Weg frei gemacht, dass die Koalition sich wieder auf ihre politischen Gestaltungsvorhaben konzentrieren kann." Das klang ganz nach Platzeck.
Für Speer ist die Sache jedoch noch nicht ausgestanden: Die Staatskanzlei in Potsdam prüft disziplinarische Schritte, ein Untersuchungsausschuss die Krampnitz-Affäre sowie die Verbeamtung der Ex-Geliebten, und die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Falschaussage. Es ist noch lange nicht vorbei.