Massengrab

Gericht verbietet Suche nach KZ-Opfern

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Foto: pp / Zentralbild

Seit Jahren suchen Fachleute nach den sterblichen Überresten von bis zu 700 jüdischen KZ-Häftlingen. Sie vermuten die Leichen auf einem Privatgrundstück im brandenburgischen Jamlitz. Jetzt setzte sich der Besitzer des Areals mit seinem Verbot vor Gericht durch.

Das Landgericht Cottbus hat die Suche nach einem bisher unbekannten Massengrab jüdischer KZ-Opfer auf einem Privatgrundstück im südbrandenburgischen Jamlitz verboten. Auf dem Areal vermuten Historiker die sterblichen Überreste von 400 bis 700 jüdischen KZ-Häftlingen vorwiegend ungarischer Herkunft, die im Februar 1945 ermordet wurden. In Jamlitz befand sich ein Außenlager des Konzentrationslagers Sachsenhausen. Der in Süddeutschland lebende Grundstücksbesitzer hatte Grabungen untersagt.

Ein Antrag des Amtes Lieberose/Spreewald, das Gelände zu untersuchen, sei nun abgewiesen worden, teilte das Gericht am Donnerstag mit. Damit wurde die Entscheidung des Amtsgerichtes Guben (Spree-Neiße) bestätigt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) bedauerte die Gerichtsentscheidung. Er sei maßlos enttäuscht darüber, dass damit keine Klarheit über den Verbleib „Hunderter Mordopfer der Nazis“ geschaffen werden könne, sagte der Minister. Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) sagte: „Ich bin fassungslos.“ Die Wirkung dieses Urteils sei auch mit Blick auf die Angehörigen fatal.


Das Innenministerium sowie die zuständige Amtsgemeinde hatten dem Grundstücksbesitzer zahlreiche Angebote und Zusicherungen gemacht, um Grabungen nach den Toten zu ermöglichen. Sie blieben jedoch erfolglos. Für die Landesregierung sei es ein „tiefes menschliches und aus der historischen Verantwortung wichtiges politisches Anliegen, den bisher unbekannten jüdischen Opfern eine würdevolle Totenruhe und ihren Angehörigen nach Jahrzehnten der Ungewissheit ein Gedenken zu ermöglichen“, sagte Schönbohm.

Das Landgericht würdigte in dem Beschluss zwar das Anliegen des Amtes. Soweit die Suche in fremde Rechtsgüter eingreife, müsse sie jedoch rechtsstaatlichen Anforderungen genügen. Das Grundstück falle unter den grundgesetzlich geschützten Wohnungsbegriff. Es gebe keine gesetzliche Grundlage für eine Verpflichtung des Besitzers, eine Durchsuchung des Grundstücks zu dulden.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat das vom Cottbuser Landgericht bestätigte Verbot scharf kritisiert. Die ausgerechnet am Jahrestag des Kriegsendes ergangene Entscheidung sei ein „ungeheuerliches, politisches und ethisches Fehlverhalten des Gerichts“ sowie „Ausdruck eines geschichtslosen Denkens deutscher Richter“, sagte der Gedenkstättenreferent des Dachverbandes, Peter Fischer, der Potsdamer „Märkischen Allgemeinen Zeitung“. Der Beschluss stelle für Juden eine „sehr hohe psychische Belastung“ dar. Viele Angehörige hätten in der Regel keine Gräber. „Umso schwerer wiegt jetzt die Entscheidung, dass der von vielen Toten blutdurchtränkte Boden privatrechtlich geschützt ist“, so Fischer.

Das Außenlager des KZ Sachsenhausen nördlich von Cottbus war 1943 eingerichtet worden. Die jüdischen Gefangenen kamen zur Zwangsarbeit aus dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Bis zu 10.000 jüdische Häftlinge aus zwölf europäischen Ländern durchliefen das Lager. Im Februar 1945 schickte die SS etwa 1500 Häftlinge auf einen Todesmarsch. Weitere 1342 Gefangene wurden nach Angaben der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten erschossen.

Die Gebeine von 577 Getöteten wurden 1971 in der Nähe von Jamlitz in einer Kiesgrube gefunden und eingeäschert. Von den restlichen rund 700 Toten fehlt jede Spur. Bisher wurden von den Verdachtsflächen alle bis auf das Privatgrundstück in Jamlitz ergebnislos durchsucht.

( dpa/mim )