In Joachimsthal herrscht nach der Rückkehr des Sexualstraftäters Werner K. Ratlosigkeit. Die Bürgerinitiative schweigt. Politiker zeigen sich überrascht. Polizisten kritisieren die Politik. Und der Neffe des Rückkehrers attackiert Journalisten. Niemand weiß offenbar, wie man mit der Situation umgehen soll.

Zwei Tage nach der Rückkehr des verurteilten Sexualstraftäters Werner K. aus einer Therapieeinrichtung in Mecklenburg Vorpommern nach Joachimsthal (Barnim) ist die Stimmung in der Kleinstadt angespannt. Von den wenigen Menschen, die am Sonntag in Joachimsthal unterwegs sind, will sich die Mehrzahl nicht zur Rückkehr von Werner K. äußern. Unter denen, die etwas sagen, gehen die Meinungen weit auseinander: „Der Mann soll seine Chancen bekommen, immerhin hat er seine Bereitschaft zur Therapie signalisiert“, sagt etwa ein Gastwirt, der ungenannt bleiben will. Andere Anwohner verlangen, insbesondere zum Schutz der Kinder in der Stadt, K. müsse verschwinden. Die ehrenamtliche Bürgermeisterin Gerlinde Schneider ist telefonisch nicht zu erreichen.

Bürgerinitiative schweigt

Und Peter Brobowski von der Bürgerinitiative Nachbarliche Solidaritätsgemeinschaft mag sich auch nicht mehr äußern. Die Initiative hatte sich im Frühjahr gegründet, nachdem Werner K. im Anschluss an die Haftentlassung in seiner Heimatstadt aufgetaucht war. Noch am Sonnabend hatte eine Sprecherin der Initiative angekündigt: „Wir werden nicht locker lassen. Der Mann ist gefährlich.“

Gegen 13 Uhr gibt es am Sonntag plötzlich Bewegung vor dem Haus von Werner K. Sein Neffe, Christoph K., stürmt mit einem Vorschlaghammer auf die Journalisten vor dem Grundstück in der Grimnitzer Straße zu. „Verschwindet hier!“, brüllt er und bedroht einen Kameramann mit dem Hammer. Polizeibeamte schreiten sofort ein, beruhigen die Situation, nehmen dem jungen Mann den Hammer ab und drängen ihn zurück ins Haus. Dort erklären die Beamten ihm die rechtliche Situation und schreiben eine Anzeige wegen Bedrohung.

Unterdessen werfen ehemalige Betreuer von Werner K. der Öffentlichkeit und den beteiligten Behörden Fehler im Umgang mit dem 50-Jährigen vor. Der Leiter der sozialtherapeutischen Einrichtung, in der Werner K. zuletzt behandelt wurde, spricht von einer „Hetzjagd“ gegen den Mann. Es habe eine Zusicherung des Schweriner Innenministeriums gegeben, dass er bis Ende 2008 bleiben sollte, sagte Uve Simon. Jetzt sei aber über den Kopf des entlassenen Straftäters hinweg mit den Brandenburgern eine vorzeitige Rückkehr vereinbart worden. Die müsse und wolle sich der Mann nicht gefallen lassen. „Er will sich verändern. Das braucht Zeit, Akzeptanz und Bezugspersonen über längere Zeiträume.“

Ministerien nicht zuständig

Für das Brandenburger Justizministerium kam die Heimkehr des Mannes überraschend. „Das war von einem Tag auf den anderen“, sagte Ministeriumssprecher Thomas Melzer. Gespräche dazu habe es mit dem Justizministerium von Mecklenburg-Vorpommern nicht gegeben. „Beide Ministerien sind nicht zuständig.“ Der Mann habe selbst entschieden, dass er freiwillig in die Therapie-Vorbereitung gehe und habe diese freiwillig abgebrochen. Dies sei bedauerlich, „da der Mann aus unserer Sicht erhebliche Fortschritte gemacht hat“.

Aber: „Der Druck von außen war enorm“, sagte Melzer. „Der Mann hat sich anhaltend stigmatisiert gefühlt, und das ist auch zu verstehen.“ Auch habe er Druck von der Anstalt nehmen wollen, der „insbesondere aus dem politischen Raum fehlende Fachkompetenz vorgeworfen wurde“.

Werner K. sieht das offenbar anders. Er wolle den Kontakt zu seinen Betreuern aufrechterhalten, heißt es in seinem Schreiben an die Deutsche Presse Agentur. Er sei zu einer Therapie bereit, müsse aber irgendwo erst einmal Ruhe finden. Versuche, ihn am Sonntag zu einer Stellungnahme zu bewegen, scheitern. Beim Anruf in seiner Wohnung erklärt Neffe Christoph K. am Telefon: „Hier lebt kein Werner K.“

„Geeigneten Therapieort finden“

Brandenburgs Politiker sind am Sonntag zum Teil noch nicht darüber informiert, dass Werner K. die Einrichtung in Zahren im Müritzkreis verlassen hat und nach Joachimsthal zurückgekehrt ist. Thomas Lunacek, CDU-Fraktionsvorsitzender, der im Barnim seinen Wahlkreis hat, zeigt sich überrascht und fordert: „Man muss weiterhin versuchen, einen geeigneten Therapieort für K. zu finden. Dies ist meiner Meinung nach die einzige Lösung. So lange noch kein Platz gefunden wurde, muss die Polizei ständig vor Ort bleiben, um den Bürgern ein Sicherheitsgefühl zu geben. Das kann aber keine Dauerlösung sein.“

Frank Domanski, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG) wiederum kritisiert die politisch Verantwortlichen: „Als der Fall Werner K. erstmals in den Medien auftauchte, gab es Forderungen seitens der Politik, die entsprechende Gesetzeslücke zu ändern. Doch bis heute ist in dieser Hinsicht nichts passiert. Niemand hat bisher aus dem Fall offensichtlich gelernt.“

So bleibt auch am Sonntag unklar, wie es mit dem Straftäter weitergehen soll.